Nach dem Debakel ist vor dem Debakel

Frankreich. Die Versuche der Sozialisten, ihre Verluste bei den Kommunalwahlen zu begrenzen, haben nicht gefruchtet. Nun steigt die Angst vor der nächsten Schlappe bei der Europawahl.

Paris. Nun mussten die französischen Sozialisten die andere Wange für eine zweite Watsche hinhalten: Nach der Schlappe beim ersten Durchgang der Kommunalwahlen vergangenes Wochenende war das Debakel beim zweiten unvermeidlich. Die Bemühungen der Linksparteien, ihre Wähler wenigstens mit der Aussicht auf dramatische Verluste noch zu mobilisieren, haben wenig bis gar nicht gefruchtet.

Schon zur Mittagszeit zeichnete sich ab, dass die Beteiligung noch geringer sein würde. Die Hilferufe von links blieben weitgehend ungehört. Die mit den Zentrumsdemokraten (UDI) verbündeten Konservativen (UMP) hatten in Erwartung zahlreicher Siegesfeiern schon einmal den Champagner kalt gestellt. Bereits am Vorabend der in 6455 von mehr als 36.000 Gemeinden noch anstehenden Stichwahlen hatte man in der Parteizentrale der französischen Sozialisten mit betrübtem Gesicht alles durchgerechnet: Zwischen 80 und 120 bisher links regierte Städte sollen diesen Schätzungen zufolge an die Rechte verloren gehen. So wurde am Sonntag der neue Bürgermeister der vormals links regierten Stadt Hénin-Beaumont offiziell bestätigt: Steeve Briois vom rechtsextremen Front National.

Insgesamt ist es für die Sozialisten ein weit größerer Aderlass, als ihn die konservative UMP vor sechs Jahren erleiden musste. Damals musste sie 59 „Bastionen“ an die triumphierende Linke abtreten.

Pattsituation für Hollande

Dieser massive Rückgang an lokalen Mandaten ist nicht nur eine Blamage für die Regierung und ihre parlamentarische Mehrheit, sondern dürfte auch auf nationaler Ebene Folgen zeitigen. Denn die Mitglieder des Senats werden jeweils indirekt durch die regionalen und kommunalen Volksvertreter gewählt. Je nach Ausmaß der Verluste in den Städten und Dörfern der Provinz könnte damit in absehbarer Zeit für die Linke die erst 2011 erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg errungene knappe Mehrheit im französischen Oberhaus schon wieder verloren gehen. Staatspräsident François Hollande wäre dann mit einer „Kohabitation“, das heißt zwei Parlamentskammern mit unterschiedlichen Mehrheiten, konfrontiert.

Für Hollande, der diese Wahlen als Desavouierung seines Führungsstils und seiner Politik interpretieren muss, geht es aber vorerst darum, zu vermeiden, dass in seinem eigenen Lager Panik ausbricht. Denn im Mai steht bereits die Europawahl an, die für die Sozialisten noch verheerender ausgehen könnte. Die einzige Karte, die Hollande hat – außer Neuwahlen und einem dabei fast unweigerlichen Machtwechsel –, ist nun eine Umbildung seines Ministerkabinetts. Es wird bereits heftig spekuliert: Hält Hollande entgegen jeder Logik am farblosen Premierminister Jean-Marc Ayrault fest? Ernennt er den bisherigen Innenminister, Manuel Valls, zum Regierungschef? Gerade Valls wollte er eigentlich für später als letzten Joker in der Hand behalten.

Keine Risken eingehen

Valls ist zudem zwar populär, aber als Vertreter des rechten Flügels in der rot-grünen Koalition durchaus umstritten. Große Risken kann der sehr geschwächte Hollande so oder so nicht eingehen. Vielleicht greift er darum auf einen bewährten Mann wie den jetzigen Außenminister, Laurent Fabius, zurück. Fabius war schon unter François Mitterrand vor dreißig Jahren Premier. Nach „Erneuerung“ sähe sein Comeback im Matignon-Regierungssitz daher nicht gerade aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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