Das Regime in Pjöngjang feuerte während einer Übung Granaten über die Seegrenze Richtung Süden, Seoul schoss zurück.
Seoul. Der Kalte Krieg auf der koreanischen Halbinsel ist am Montag für kurze Zeit heiß geworden: Zwischen den Armeen Nord- und Südkoreas kam es entlang der westlichen Seegrenze zu einem Schusswechsel mit Artillerie, der offenbar von der nordkoreanischen Seite provoziert worden war.
Pjöngjang hatte der Regierung in Seoul per Fax Montagfrüh ein Manöver angekündigt. Kurze Zeit später wurde bereits über die Seegrenze hinweg geschossen: „Einige der nordkoreanischen Granaten landeten während dieser Übung jenseits der Grenze. Unser Militär hat daher zurückgeschossen“, hieß es aus dem südkoreanischen Verteidigungsministerium, in dem man Wert darauf legt, den Norden zuvor gewarnt zu haben. Der Norden habe etwa 500 Geschosse abgefeuert, etwa 100 davon seien südlich der Grenze niedergegangen. Man selbst habe mit rund 300 Geschossen geantwortet.
China, einer der wenigen Verbündeten des stalinistischen Regimes in Pjöngjang, rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf: Die „Temperatur“ auf der koreanischen Halbinsel sei derzeit im Steigen begriffen, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenamtes: „Und das macht uns Sorgen.“
Experten stufen die Gefahr einer weiteren Eskalation auf der koreanischen Halbinsel allerdings als gering ein, die Provokation Nordkoreas wird vor allem als eine vorerst im Rahmen bleibende Reaktion auf das jährlich von den Streitkräften des Südens und der USA abgehaltene groß angelegte Manöver (das heurige dauert noch bis 18. April) gesehen: Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem Südkorea und die USA modernste Waffensysteme in der Region testen würden, sei es „unwahrscheinlich, dass der Norden so tollkühn ist, eine Verschlechterung der Situation zu provozieren“, sagt Yang Moo-jin, Professor für Nordkorea-Studien in Seoul: Das Regime im Norden wolle zwar sein Missfallen über die gemeinsamen Manöver des Südens mit den USA ausdrücken, „aber es sieht nicht danach aus, als wachse sich das zu etwas Größerem aus“.
Die umstrittene Seegrenze zwischen beiden Staaten, die sich auch mehr als 60 Jahre nach dem Koreakrieg noch im Kriegszustand befinden, ist immer wieder Schauplatz von Scharmützeln. Besonders konfliktträchtig war das Jahr 2010. Damals versenkte Nordkorea nicht nur ein südkoreanisches Kriegsschiff, wobei 46 Matrosen starben, es beschoss auch die Insel Yeongpyeong und tötete dabei vier Südkoreaner.
Pjöngjang kappte rotes Telefon
Eine extrem aufgeheizte Situation entstand nach dem dritten Atomtest Nordkoreas im Frühjahr 2013. Pjöngjang kappte damals das rote Telefon in den Süden und erklärte – überflüssigerweise – den Kriegszustand. Die USA als Schutzmacht Südkoreas zeigten mit demonstrativen Flügen von atomwaffentauglichen B52-Bombern Präsenz. Erst nach Wochen entspannte sich die Lage wieder. Heuer ließ Nordkorea sogar eine der seltenen Zusammenführungen von Familien zu, die getrennt in den koreanischen Staaten leben. (Reuters/Red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)