Kerry gescheitert: Abbas torpediert Friedensgespräche

U.S. Secretary of State Kerry arrives at a news conference during a NATO foreign ministers meeting at the Alliance headquarters in Brussels
U.S. Secretary of State Kerry arrives at a news conference during a NATO foreign ministers meeting at the Alliance headquarters in Brussels(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Nahost. Palästinenser wollen einen Weg über die UNO einschlagen. Dies ist für Israel aber inakzeptabel.

Ramallah/Tel Aviv. Man kann John Kerry nicht den Vorwurf machen, dass er nicht alles in seiner Macht stehende getan hat. Doch es hat alles nichts genützt, nicht seine vielen Reisen in die Region, nicht seine zahllosen Gespräche mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und Israels Premier Benjamin Netanjahu: Am Dienstag sind die vergangenes Jahr von Kerry neu angeschobenen Friedensgespräche gescheitert. Die Palästinenser haben am Dienstag die Aufnahme in 15 UN-Gremien beantragt. Auch wenn zunächst keine Reaktion aus Israel vorlag, die Regierung in Jerusalem hat immer klar gemacht, dass dies für sie ein Ende der Gespräche bedeuten würde. Kerry hat seine für Mittwoch angesagte Reise in die Palästinenserhauptstadt Ramallah folgerichtig abgesagt, obwohl es zwischendurch hieß, dass er möglicherweise doch fahren könnte, um zu retten, was noch zur retten ist.

Live im Fernsehen aus Ramallah übertragen hat Präsident Mahmoud Abbas nach einstimmiger Zustimmung seines Kabinetts den Antrag zur Anerkennung Palästinas als Mitglied bei 15 UNO-Gremien beziehungsweise Vertragswerken. „Wir wollen keinen Konflikt mit der US-Regierung“, sagte Abbas, und weiter: „Außenminister Kerry hat große Anstrengungen unternommen, ich hab ihn 39 Mal seit Beginn der Verhandlungen getroffen. Aber wir haben keine andere Wahl. Es sei das Recht der Palästinenser, sich an die UN-Institutionen zu wenden. Dennoch suche man weiter nach einer Lösung für den Konflikt, durch Verhandlungen und durch Volkswiderstand.

Der Spion, an dem alles hing

Abbas rechtfertigte seinen überraschenden Schritt mit Israels Verstoß gegen die Abmachung, bis Samstagabend weitere 400 palästinensische Gefangene „ohne Blut an den Händen“ freizulassen. Gleichzeitig spießte es sich an der Forderung Israels an die USA, den seit fast dreißig Jahren in den USA einsitzenden Spion Jonathan Pollard freizulassen, wobei zunächst nicht ganz klar war, ob Israel diese Forderung ultimativ auf den Tisch gelegt hat, oder ob Kerry sogar selbst Pollard ins Spiel brachte, um den ins Stocken geratenen Verhandlungsprozess doch noch zu retten.

Während eines Kurzbesuches von Kerry in Jerusalem am Montag wurde offenbar mit Netanjahu abgesprochen, dass Pollard noch vor dem Pessach-Fest freikommen werde. Daraufhin hatten die Palästinenser ihren  Preis  für eine Fortsetzung der Friedensgespräche erhöht und Freilassung von 1000 Gefangenen gefordert, darunter israelische Araber, die wegen Mordes verurteilt wurden und prominente Gefangene wie Marwan Barghuti. Das lehnte Israel bisher strikt ab. Der US-Bürger Pollard, der als jüdisch-amerikanische Marinesoldat strenggeheime Dokumente an die israelische Botschaft in Washington weitergegeben hatte, erklärte überdies im Gefängnis, dass er sich weigere, im Tausch für „palästinensische Terroristen“ freizukommen.

Koffer mit Geheimdokumenten

Die Gefängnistore der Strafanstalt Butner in North Carolina, dürften sich für den 59-Jährigen, der fast die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht hat, also nicht vorzeitig öffnen. Bis vor Kurzem haben sich die USA beharrlich gegen eine Freilassung Pollards gesperrt. Als US-Präsident Bill Clinton 1998 als Konzession an Israel eine Entlassung des Agenten schon einmal erwog, drohte der damalige CIA-Chef George Tenet mit Rücktritt. In Israel spricht sich eine breite Allianz von links bis rechts für eine Begnadigung aus – rund 18 Monate vor Ablauf von Pollards Haftzeit. 175.000 Israelis unterzeichneten eine entsprechende Petition, die Siedlung Bet El würde ihren „Ehrenbürger“ mit offenen Armen empfangen – freilich wäre er dort erneut von Mauern und Zäunen umgeben.

Als Mitarbeiter des US-Marine-Nachrichtendienstes hat der in Texas gebürtige Jude in den 1980er-Jahren über einen Mittelsmann kofferweise Dokumente an Israel übermittelt: Material über das Rüstungsarsenal der islamischen Welt von Marokko bis Pakistan, über das Waffenprogamm im Irak, in Libyen und Syrien oder Satellitenfotos des PLO-Hauptquartiers in Tunis.
Seine Spionageaktivitäten (von Israel übrigens erst 1998 zugegeben und mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft belohnt) brachten ihm zehntausende Dollar ein, obendrein einen Diamant- und Saphirring. Zugleich habe er, so der Vorwurf der US-Dienste, indirekt Dutzende westliche Agenten im Ostblock ans Messer geliefert, weil der KGB den israelischen Geheimdienst infiltriert hatte. Als ihm sein Arbeitgeber schließlich auf die Schliche kam, suchte Pollard 1985 um Asyl in der israelischen Botschaft in Washington an, was ihm jedoch verwehrt wurde. Im Prozess bekannte sich Pollard prompt schuldig, die Details seiner Spionagetätigkeit gelangten deshalb nie an die Öffentlichkeit.  

((ag./vier))

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