Nahost-Friedensgespräche im Koma

Benjamin Netanjahu, John Kerry, Israel, Palästiner
Benjamin Netanjahu, John Kerry, Israel, Palästiner(c) REUTERS (POOL)
  • Drucken

Palästinenser stellten Anträge auf Aufnahme in internationale Organisationen, weil Israel Frist für Häftlingsfreilassung nicht einhielt. Noch keimt Hoffnung auf Fortsetzung des Dialogs.

Jerusalem. Keine neun Monate nach Beginn der Friedensgespräche im Nahen Osten stehen die Bemühungen unter der Ägide des US-Außenministers, John Kerry, vor einem Scheitern. Im hartnäckigen Ringen um eine Friedenslösung riss den Palästinensern der Geduldsfaden. Sie wollten nicht mehr länger auf eine vereinbarte Freilassung von 26 palästinensischen Häftlingen warten.

Präsident Mahmoud Abbas unterzeichnete mehr als 15 Beitrittsdokumente für UN-Organisationen beziehungsweise internationale Konventionen. Außenminister Rijad al-Makli besiegelte den Formalakt, indem er die Anträge überreichte. Israel wertet dies als Bruch einer Übereinkunft mit den Palästinensern. Abbas stimmte im Vorfeld der Friedensverhandlungen einem Aufschub zu, doch nachdem Israel die für Ende März geplante vierte und letzte Amnestie palästinensischer Häftlinge verstreichen ließ, sieht sich die Palästinenser-Behörde nicht mehr an die Verpflichtungen gebunden.

Kerrys Shuttle-Mission

Selbst Chefvermittler Kerry scheint die Hoffnung aufgegeben zu haben. Er sagte jedenfalls ein Gespräch mit Abbas in Ramallah kurzfristig ab. Aus seinem Statement beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel klang Frustration durch: „Die Spitzenvertreter der beiden Seiten müssen die Entscheidungen treffen, nicht wir.“ Womöglich unternimmt er aber einen erneuten – und letzten – Versuch, die Mission noch einmal zu retten. Durch seine Shuttle-Mission, seine zahllosen, stundenlangen Unterredungen mit Abbas und Israels Premier Benjamin Netanjahu, hat er die Initiative auf höchster Ebene bisher de facto allein aufrechterhalten.

Noch am Dienstag schien eine Verlängerung der Verhandlungen bis ins kommende Jahr hinein in greifbare Nähe gerückt zu sein. Israel hatte eine weitere Amnestie für mehrere hundert Häftlinge und sogar einen temporären Siedlungsstopp im Westjordanland in Aussicht gestellt.

Zum Ausgleich boten die USA einen Deal an: Der seit fast 30 Jahren in Einzelhaft sitzende jüdische Spion Jonathan Pollard sollte aus der Haft in den USA entlassen werden. Die Palästinenser würden einer Fortsetzung der Gespräche zustimmen, ohne sich an internationale Instanzen zu wenden. Ungeachtet der Entwicklung beharrten die Palästinenser jedoch auf einer Frist von ein bis zwei Tagen, bis die Häftlinge der vierten Amnestierunde auf freien Fuß gesetzt werden müssten – was freilich nicht eintrat. Stattdessen kündigte Israel den Bau neuer Wohnungen in Ostjerusalem an.

Theoretisch ist auch mit den jüngsten Anträgen der PLO, die den Auftakt zur angekündigten „diplomatischen Intifada“ bilden könnten, das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Die PLO fühlt sich weiterhin an den neunmonatigen Verhandlungsprozess gebunden, der am 29.April endet“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zu den insgesamt 15 internationalen Abkommen und Konventionen, die Abbas unterzeichnete, gehören die Vierte Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Konflikten sowie die Anti-Apartheid-Konvention.

Israel hatte wiederholt versucht, die Palästinenser davon abzuhalten, sich UN-Institutionen anzuschließen, und konnte bisher auf die Rückendeckung der USA bauen. So stellte Washington aus Protest gegen die Aufnahme Palästinas den jährlichen Unesco-Beitrag von 60Millionen Dollar ein. „Keine der Institutionen, für die Präsident Abbas unterzeichnete, hat etwas mit der UNO zu tun“, betonte Kerry, wohl um klarzustellen, dass die PLO noch keine rote Linie überschritten habe. Überhaupt bleibt fraglich, inwieweit es die Palästinenser ihrem Ziel der Eigenstaatlichkeit näherbringen wird, wenn sie den Konflikt auf die internationale Bühne heben. Die UN-Entscheidung vor zwei Jahren für eine Aufwertung der PLO zum nicht staatlichen Beobachter hat wenig an Israels Besatzungspolitik verändert, und dasselbe gilt für die Unesco-Mitgliedschaft.

Siedler als Gewinner

Die USA dürften sich nach einem Scheitern Kerrys auf Jahre von ihrer Vermittlerrolle verabschieden, und Israel wird weiter Siedlungen bauen. Die größten Gewinner wären die Siedler und die national-religiösen Koalitionspartner in Israels Regierung, die als einzige offen für eine Annektierung palästinensischen Landes plädieren.

AUF EINEN BLICK

Israel. Nach nicht einmal neun Monaten sind die Nahost-Friedensgespräche, die US-Außenminister John Kerry mit großem Engagement angetrieben hat, vorerst geplatzt. Israel ließ eine Frist für die Freilassung palästinensischer Langzeit-Häftlinge verstreichen, worauf sich die Palästinenser-Führung für eine Reihe von UN-Organisationen bewarb – für Israel eine „rote Linie“. Kerry hatte Israel angeblich sogar die Freilassung des Spions Jonathan Pollard angeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

U.S. Secretary of State Kerry arrives at a news conference during a NATO foreign ministers meeting at the Alliance headquarters in Brussels
Außenpolitik

Kerry gescheitert: Abbas torpediert Friedensgespräche

Nahost. Palästinenser wollen einen Weg über die UNO einschlagen. Dies ist für Israel aber inakzeptabel.
Außenpolitik

Nahost: Abwarten nach Kerrys Besuchsabsage

Keine Bewegung bei Palästinensern und Israelis. Die USA werden zunehmend ungeduldiger.
140331 RAMALLAH March 31 2014 Xinhua Palestinian President Mahmoud Abbas chairs a meetin
Außenpolitik

Friedensgespräche zwischen Israel und Palästinensern gescheitert

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas unterzeichnete nach Zustimmung seines Kabinetts live im Fernsehen den Antrag zur Anerkennung Palästinas als Mitglied bei 15 UNO-Gremien.
Außenpolitik

Gefangene: Palästinenser stellen USA Ultimatum

US-Außenminister John Kerry will in Nahost den festgefahrenen Friedensprozess widerbeleben. Die Palästinenser setzten ihm eine Frist für die Freilassung von Gefangenen aus israelischer Haft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.