Ostukraine: Separatisten rufen Putin zur Hilfe

A man holds an icon and a cross as pro-Russian protesters gather in front of the regional administration headquarters in Luhansk
A man holds an icon and a cross as pro-Russian protesters gather in front of the regional administration headquarters in LuhanskREUTERS
  • Drucken

In mehreren Städten konnten Moskau-treue Kräfte an Boden gewinnen. Russland drohte, die Verhandlungen in Genf platzen zu lassen. Die EU weitet Sanktionen aus.

Wien/Kiew/Slawjansk. Das Ultimatum verstrich in der Nacht auf Montag - und vorerst passierte nichts. Die Regierung in Kiew machte ihre Drohung mit einem Einsatz gegen die Separatisten in der Ostukraine mit Hilfe von Militäreinheiten zunächst nicht wahr. Am frühen Abend gab dann aber den Befehl für einen Militäreinsatz in der Ostukraine. Details blieben geheim.

Die Risken eines solchen Militäreinsatzes sind hoch: Russland warnte, es werde dann die für Donnerstag geplanten Verhandlungen (EU, USA, Russland und Ukraine) platzen lassen. Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin stellte dies auf der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in Aussicht: „Werden wir denn Papiere zu diesem Treffen vorbereiten können, wenn die ukrainischen Streitkräfte Kampfhandlungen im Südosten des Landes beginnen?" Separatisten in Slawjansk appellierten an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, ihnen zu „so viel wie möglich" zu helfen. Moskau müsse einen „Völkermord" verhindern. Aus dem Kreml hieß es, Putin verfolge die Lage mit „großer Sorge".

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow regte in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Einsatz von UN-Friedenstruppen im Osten des Landes an. Er hofft auf Hilfe der Vereinten Nationen im Kampf gegen prorussische Milizionäre.

Die EU erwägt unterdessen die Ausdehnung der Strafmaßnahmen gegen Russland. Großbritanniens Außenminister William Hague will mehr Personen als die bisher 33 Russen und vier Ukrainer auf die Sanktionsliste setzen. Andere europäische Politiker wollen das Treffen am Donnerstag abwarten. Als „Möglichkeit für Deeskalation durch Russland" beschrieb der schwedische Außenminister Carl Bildt die Genfer Gespräche. Die EU solle sie abwarten, bevor weitere Sanktionen verhängt werden. Einigkeit in der EU gab es hinsichtlich finanzieller Hilfe für Kiew: Die Union gab eine Milliarde Euro als Finanzhilfe für die Ukraine frei. Die EU-Außenminister beschlossen in Luxemburg außerdem, fast sämtliche Zölle für Waren aus der Ukraine zu streichen.

In der Ostukraine gingen die Besetzungen und die Übernahme lokaler Machtstrukturen durch (pro-)russische Vertreter weiter. Die von Kiew ausgerufene „Antiterror-Operation" dürfte weniger erfolgreich sein als erhofft. Stattdessen schien es, als würden die Separatisten weiter an Boden gewinnen.

Aus dem Städtchen Gorlowka tauchte etwa ein Video auf, das zeigt, wie die Lokalpolizisten auf einen neuen Kommandanten eingeschworen werden. Ein Mann, der sich als „russischer Oberstleutnant aus Simferopol" vorstellt, fordert die Polizisten auf, ab sofort nur noch auf die Befehle eines neben ihm stehenden Mannes in Zivilkleidung zu hören. Darauf, dass Einsatzkräfte von der Krim, die Mitte März von Russland annektiert wurde, in die Ostukraine entsandt wurden, deuten auch andere Berichte hin: In der Stadt Slawjansk, die nach wie vor weitgehend unter der Kontrolle der prorussischen Aktivisten sein dürfte, tauchten Mannschaftstransporter auf, aus denen ebenfalls gut ausgerüstete Männer stiegen. Sie erklärten, von der Krim in die Ostukraine geschickt worden zu sein.

In Slawjansk „erbeuteten" die Separatisten neben dem Polizeikommissariat auch die Stadtverwaltung sowie den Lokalflughafen. Berichte, dass auch die Wehrdienstleistenden der 25. Luftlande-Brigade auf die Seite der Moskau-Treuen gewechselt seien, konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden. Das ukrainische Verteidigungsministerium dementierte.

USA erwägen Waffenlieferungen

Der Konflikt um die Ostukraine könnte sich weiter internationalisieren. Die USA erwägen nun Waffenlieferungen an die Ukraine. „Wir betrachten das als eine Option", sagte gestern der US-Diplomat und Berater von Außenminister John Kerry, Thomas Shannon.

Die ukrainische Führung hat die USA nach Angaben aus US-Regierungskreisen bereits vor einiger Zeit um die Lieferung von Waffen gebeten. Die kam der Bitte nicht nach, und schickte der Armee lediglich Lebensmittel. Shannon zeigte sich sehr besorgt über die Lage in der Ostukraine. „Was wir gerade in einer ganzen Reihe von Städten im Osten der Ukraine beobachten, gleicht dem, was auf der Krim geschehen ist", sagte er. „Dies gilt sowohl für die Taktik als auch für die Leute, die daran beteiligt sind." Russland spiele ganz offensichtlich eine Rolle bei den Vorgängen, die die Ukraine destabilisierten.

Auch die Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko forderte die internationale Gemeinschaft zu „direkter militärischer Hilfe" auf. Das ukrainische Volk kämpfe um seine Freiheit, betonte die Ex-Regierungschefin am Montag in einer Aussendung.

EU weitet Sanktionen aus

Die Europäische Union weitet ihre Sanktionen aus. Das kündigte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montag nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg an. Bisher hat die EU 33 Ukrainer und Russen mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt, die sie für die Destabilisierung der Ukraine und die Annexion der Krim durch Russland verantwortlich macht.

USA bestätigen: CIA-Chef war in Kiew

Die USA haben bestätigt, dass sich CIA-Chef John Brennan am vergangenen Wochenende in Kiew aufgehalten hat. "Normalerweise äußern wir uns nicht zu den Reisen des CIA-Direktors", sagte ein Sprecher des US-Präsidialamtes am Montag in Washington. "Angesichts der besonderen Umstände in diesem Fall und wegen der von Russland vorgebrachten Unterstellungen hinsichtlich der CIA bestätigen wir, dass der Direktor als Teil seines Europabesuchs in Kiew war." Russland hatte Medienberichten zufolge die USA aufgefordert, sie sollten erklären, was Brennan in der Ukraine gemacht habe.

Das US-Präsidialamt erklärte dazu, dass Besuche ranghoher Geheimdienstmitarbeiter ein übliches Mittel seien, um eine gegenseitig nützlich Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich voranzubringen. Auch zwischen den USA und Russland habe es über Jahre hinweg solche Treffen und eine Kooperation gegeben.

Ostukraine Ð Kiew droht mit Militaer und erwaegt Referendum
Ostukraine Ð Kiew droht mit Militaer und erwaegt ReferendumAPA

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.