Kiews "Anti-Terror-Einheiten" rücken in Nordosten der Ukraine vor

Die russische Fahne auf dem Dach, eine durchgestrichene US-Fahne vor dem Verwaltungsgebäude in Lugansk.
Die russische Fahne auf dem Dach, eine durchgestrichene US-Fahne vor dem Verwaltungsgebäude in Lugansk.(c) imago/Russian Look
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Der Spezialeinsatz gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine hat begonnen. In Kramatorsk zogen sich die Aktivisten zurück. EU, USA und Russland sind weiter uneinig.

Der seit langem angekündigte Spezialeinsatz der ukrainischen Regierung gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes hat begonnen. Allerdings sind sowohl der genaue Umfang der Operation als auch der Einsatzort der Spezialkräfte unklar. Interimspräsident Alexander Turtschinow teilte mit, die Einheiten würden im Norden des Gebiets Donezk nahe der Grenze zu Russland vorrücken. Reporter der Nachrichtenagentur AFP meldeten, dass rund ein Dutzend Panzer und Soldaten rund 40 Kilometer vor der ost-ukrainischen Stadt Slawiansk stünden.

"Ziel ist der Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land zerreißen wollen", sagte Turtschinow am Dienstag im Parlament. Die Gegner der prowestlichen Führung meldeten Schusswechsel und Verletzte aus der Region. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Die Drohungen zeigten bereits erste Wirkung.  Pro-russische Separatisten haben sich nach Polizeiangaben aus dem Polizeihauptquartier der ost-ukrainischen Stadt Kramatorsk zurückgezogen. Die Separatisten hätten das am Samstag besetzte Gebäude freiwillig geräumt, sagte ein Polizei-Sprecher. Russlands Ministerpräsident Dimitri Medwedew warnte, die Ukraine stehe "am Rande eines Bürgerkriegs".

Operation in Kramatorsk

Regierungskräfte hätten am Morgen das Feuer auf Straßensperren vor Slawjansk eröffnet, sagte ein Sprecher der Aktivisten. Bewaffnete hätten die Stadt umstellt. Die "Selbstverteidigungskräfte" bereiteten sich auf einen Angriff vor. Unterdessen habe in Kramatorsk eine "Spezial-Operation" begonnen, berichtete der ukrainische Verteidigungsminister. Laut Medien kam ein Kampfflugzeug zum Einsatz.

In Slawjansk und zahlreichen anderen Orten halten Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Die Regierung in Kiew hatte die Aktivisten aufgefordert, bis zum Montagmorgen alle Gebäude zu räumen und die Waffen niederzulegen.

Angriff auf Präsidentschaftskandidat

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurde der prorussische Präsidentschaftskandidat Oleg Zarjow nach einer TV-Sendung von Unbekannten angegriffen und mit Schlägen traktiert. Mitarbeiter von Zarjow, der sich in einer Klinik behandeln ließ, machten Rechtsextreme für die Attacke verantwortlich. Die Wahl soll am 25. Mai stattfinden.

Die UN sehen keine Hinweise auf systematische Übergriffe auf die russischstämmige Bevölkerung im Osten der Ukraine, hieß es am Dienstag. Anderslautende Berichte, mit denen pro-russische Separatisten eine Intervention Russlands in dem Konflikt erreicht wollten, seien aufgebauscht, erklärte die UN-Menschenrechtsbehörde am Dienstag in Genf.

Diplomatie ohne offensichtlichen Fortschritt

Auf diplomatischer Ebene ging in den letzten Stunden außer einer Wiederholung der schon gehörten Standpunkte wenig weiter. In der Nacht telefonierten US-Präsident Barack Obama und Russlands Präsident Wladimir Putin. Das Telefonat sei auf russische Initiative zustandegekommen und sei "offen und direkt" gewesen, hieß es aus Obamas Büro - eine diplomatische Umschreibung für angespannt und kontrovers.

Putin habe US-Präsident Barack Obama aufgefordert, ein gewaltsames Vorgehen der Führung in Kiew gegen die pro-russischen Demonstranten und Besetzer zu unterbinden und damit ein Blutvergießen in dem osteuropäischen Land zu verhindern. Obama appellierte nach Angaben des US-Präsidialamtes bei dem Telefonat an Putin, dafür zu sorgen, dass die pro-russischen Demonstranten in mehreren Städten der Ostukraine ihre Besetzung von Verwaltungsgebäuden aufgäben.

EU sucht Taktik

Auf EU-Ebene gingen die Beratungen am Dienstag weiter. Die Verteidigungsminister sind in Luxemburg zusammengekommen, um unter anderem mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen über die Ukraine-Krise zu beraten. Dieser forderte Russland im Konflikt zum Einlenken auf. "Russland muss aufhören, ein Teil des Problems zu sein und damit beginnen, ein Teil der Lösung zu sein", sagte Rasmussen vor dem Treffen in Luxemburg. Deutschland verlangte von Moskau "sichtbare" Schritte in Richtung Deeskalation. Bundesfinanzminister Sigmar Gabriel (SPD) hat mit weiteren wirtschaftlichen Sanktionen gedroht, wenn sich die Regierung in Moskau nicht um Entspannung bemühe.

Österreichs Verteidigungsminister begrüßt EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Luxemburg.
Österreichs Verteidigungsminister begrüßt EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Luxemburg.(c) APA/EPA/NICOLAS BOUVY (NICOLAS BOUVY)

Am Montag waren die Außenminister der EU-Staaten in Luxemburg versammelt. Sie erweiterten die Sanktionen gegen Russland. Einreiseverbote und Kontosperren wurden ausgeweitet. Von Wirtschaftssanktionen sieht die EU bisher ab. Zunächst soll mindestens ein geplantes Treffen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton mit den Außenministern Russlands, der USA und der Ukraine am Donnerstag in Genf abgewartet werden. Am Dienstag beraten die EU-Verteidigungsminister über die Krise. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) warnte unterdessen vor einer Eskalation des Ukraine-Konflikts. Gewalt sei allerdings die "falsche Antwort", diese könnte zu einer "vollkommenen Eskalation" führen. Russland habe "ganz klar" seine Hände im Spiel, so der Außenminister in der ZiB2 des ORF-Fernsehens am Montagabend.

Die EU-Außenminister gaben zudem Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarde Euro für die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine frei und stimmten einer Streichung fast sämtlicher Zölle für Waren aus dem Land zu. Damit soll die Ukraine stabilisiert werden.

(APA/Reuters/dpa/AFP)

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