Brief an Putin: „Wir wünschen Ihnen Stehvermögen“

Vladimir Putin
Vladimir Putin(c) imago/ITAR-TASS (imago stock&people)
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In russischen Medien kursiert ein E-Mail deutscher Kulturschaffender. Die Unterzeichner eint ihr Antiamerikanismus.

Wien/Berlin/Moskau. Seit einigen Tagen wird in russischen Medien ein Brief aus Deutschland herumgereicht, der im Konflikt um die Ukraine dem russischen Nationalstolz unheimlich schmeicheln muss. Es heißt, deutsche Kulturschaffende hätten einen Brief an den russischen Präsidenten Wladimir Putin geschrieben, in dem sie sich mit ihm und seiner Ukraine-Politik solidarisieren.

In dem Brief wird Putin tatsächlich als Friedensengel in Europa gelobt, der in einer historischen Traditionslinie steht: Im Zweiten Weltkrieg brachte die Sowjetunion Frieden über Europa. Und jetzt ist es Putins Russland. Die USA und EU müssen herbe Kritik einstecken, auf der falschen Seite zu stehen: Sie unterstützen die Kiewer „Putschregierung“, die mit „faschistischer Hilfe“ an die Macht gekommen sei. Die Annexion der Krim durch Moskau mutiert in den Worten der knapp 200 Unterzeichnenden zu einer „Sezession“ und „defensiven Maßnahme“.

Das Weltbild der Unterzeichner mag bizarr sein – in abgeschwächter Form ist es in diesen Tagen durchaus auch in publizistischen Organen zu lesen: Den USA und der Nato wird eine imperialistische Eroberungspolitik unterstellt. Putin habe ihnen mit Entschlossenheit gezeigt, wo Schluss ist: an den Westgrenzen des ehemaligen sowjetischen Reiches. „Bis hierher und nicht weiter!“

Bleibt die Frage: Wer sind diese deutschen Intellektuellen? Es sind mäßig bekannte Persönlichkeiten. Ideologisch weit links bzw. rechts stehend, eint sie ihre Abneigung gegen die USA. Da ist Wolfgang Jung, Herausgeber der Postille „Luftpost“ („friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein“), da ist die Publizistin Evelyn Hecht-Galinski. Galinski ist Gründerin der deutschen Abteilung von „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“; ihre Wortmeldungen über eine angeblich „jüdisch-israelische Lobby“ haben in Deutschland und Israel schon für Debatten gesorgt. Als Erstunterzeichner scheint Jochen Scholz auf, Ex-Nato-Funktionär und Bundeswehr-Oberleutnant außer Dienst.

In deutschen Medien blieb der Appell ungehört: Lediglich auf Facebook-Seiten kursiert er. Präsident Putin kann jedenfalls weiter auf die Gefolgschaft der deutschen Intellektuellen zählen:„Für Ihre jetzige und hoffentlich auch die nächste Amtsperiode wünschen wir Ihnen Kraft, Stehvermögen, Klugheit und Geschick“, heißt es zum Schluss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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