Italien: Teilzeitaltenpfleger Berlusconi

Ex-Premier Silvio Berlusconi
Ex-Premier Silvio Berlusconi(c) REUTERS (ALESSANDRO BIANCHI)
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Ex-Premier Silvio Berlusconi wurde wegen Steuerbetrugs zum Sozialdienst verurteilt: Er muss demnächst in einem katholischen Altersheim bei Mailand zum Dienst antreten.

Rom. Wie das Schicksal so spielt: Am Montagabend war Silvio Berlusconi noch von Italiens Premier Matteo Renzi in Rom empfangen worden – und wenige Stunden später erhielt er am Dienstag von einem Mailänder Gericht den Bescheid, dass er ab kommendem Monat Sozialdienst in einem Altersheim leisten muss. Im Gespräch mit Matteo Renzi war es um die geplanten Verfassungsreformen gegangen; Silvio Berlusconi kam als Chef der nach wie vor weitaus größten Mitte-rechts-Partei, der Forza Italia.

Bei der Entscheidung des Gerichts ging es hingegen darum, wie der Straftäter Berlusconi am besten resozialisiert, also wieder zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft gemacht werden kann. Der mehrfache Ex-Regierungschef war im August in letzter Instanz wegen schweren Steuerbetrugs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt und mit einem Ämterverbot belegt worden.

Der Spruch des Gerichts kam nicht unerwartet: Nach dem 75. Lebensjahr muss man in Italiens nicht mehr ins Gefängnis. Gerichtspräsidentin Pasquale Nobile De Santis wählte als Vollzugsort das Alterspflegeheim der katholischen Stiftung Sacra Famiglia in Cesano Boscone, einige Kilometer von Mailand entfernt. Im Heim leben etwa 40 Patienten, von denen viele an fortgeschrittener Demenz und an anderen schweren Krankheiten leiden. Was genau die Aufgaben des Ex-Premiers sein werden, wollte der Leiter der Institution gestern noch nicht bekannt geben: Das werde zusammen mit dem Gericht und mit Berlusconi entschieden. Fest stehe aber, dass der neue, 77-jährige Hilfspfleger Berlusconi in direktem Kontakt mit den Patienten stehen werde.

Wunschziel Behindertenheim

Eigentlich hätte sich Silvio Berlusconi lieber in einem Heim für körperlich und psychisch behinderte Menschen in der Nähe seines Wohnorts Arcore, nahe Mailand, gekümmert: Seine Anwälte argumentierten, dass der Ex-Premier die Patienten durch seine „optimistische Art“ motivieren könne, trotz ihrer Krankheit nicht zu resignieren. Dieser Wunsch bleibt unerfüllt; stattdessen kann Berlusconi nun im Altenheim den Entertainer geben.

In allen anderen Punkten ist das Gericht dem prominenten Verurteilten weit entgegengekommen: Berlusconi muss lediglich einmal in der Woche für mindestens vier Stunden im Altersheim zum Sozialdienst antreten. Vor allem aber darf er sich von Dienstagfrüh bis Donnerstagabend in Rom aufhalten, um seinen politischen Betätigungen nachzugehen.

Damit ist seine „politische Bewegungsfreiheit“, die er nachdrücklich für sich eingefordert hat, in der Tat weitgehend gewährleistet: Hilfsaltenpfleger Berlusconi kann mit der von ihm geführten Partei, wenn auch nicht als Kandidat, am Europawahlkampf teilnehmen – und er kann auch weiterhin von Renzi empfangen werden, sollte dies der junge Regierungschef weiterhin für opportun halten.

Berlusconi muss lediglich einige gerichtliche Auflagen beachten: Er muss, wenn er nicht gerade in der Hauptstadt über Reformen verhandelt, zwischen 23 und 6 Uhr in Arcore verbringen, er darf – Ausnahme Rom – seine Wohnregion Lombardei nicht verlassen, und er darf keinen Umgang mit Vorbestraften und Drogenabhängigen pflegen. Außerdem ist bei der Strafverbüßung in Sozialdienst in der Regel ein monatliches Gespräch mit dem zugeteilten Sozialarbeiter vorgesehen, der die Fortschritte der Resozialisierung überwacht.

Angst vor Urteil

Dem Beschluss über seine Strafe hat der frühere Premierminister seit Wochen in einer Mischung aus ohnmächtiger Wut und lähmender Angst entgegengesehen – auch wenn drei der vier Gefängnisjahre von einem allgemeinen Strafnachlass erfasst sind und das verbleibende Jahr bei guter Führung auf zehneinhalb Monate reduziert werden könnte. „Am Ende lassen sie mich verhaften und werfen mich in den Kerker“, hat Medienmagnat Berlusconi gegenüber Vertrauten gesagt. Oder er müsse bei der Caritas vor laufenden Kameras WCs putzen gehen.

Berlusconi hat nun zehn Tage Zeit, die Gerichtsverfügung zu akzeptieren und zu unterschreiben. In diesem Fall könnte er ab 1. Mai in Cesano Boscone, einem Vorort von Mailand, zum Pflegedienst im Altersheim antreten.

AUF EINEN BLICK

Silvio Berlusconi muss zur Verbüßung seiner einjährigen Strafe wegen Steuerbetrugs Sozialarbeit in einem Altenheim leisten. Der 77-Jährige soll mindestens vier Stunden pro Woche in einer solchen Einrichtung arbeiten, wie ein Gericht in Mailand entschied. Außerdem darf der Medienmilliardär die Region Lombardei, in der er seinen Hauptwohnsitz hat, nur noch zwischen Dienstag und Donnerstag für Reisen nach Rom verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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