Ukrainische Armee rückt in den Osten vor

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Der Militäreinsatz gegen prorussische Separatisten wurde gestartet. Bei einem ersten Schusswechsel gab es Tote und Verletzte. Russland spricht von „Völkerrechtsverletzung“.

Wien/Kiew/Slawjansk. Die Regierung in Kiew startete am Dienstag ihren Militäreinsatz gegen prorussische Separatisten im Osten der Ukraine. Schützenpanzer und Soldaten näherten sich den Städten Slawjansk und Kramatorsk, wo prorussische Aktivisten seit Tagen öffentliche Einrichtungen besetzt halten. Ukrainisches Militär stürmte am Dienstag den von Bewaffneten besetzten Flughafen in der Stadt Kramatorsk. Man sei in Verhandlungen getreten, hieß es vonseiten der Besetzer gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, doch dann habe plötzlich der Beschuss begonnen. Ria Nowosti berichtete von vier Toten und zwei Verletzten. Die Moskau-treuen Separatisten wollten versuchen, die Zufahrt zur Stadt weiter zu verteidigen. Dort hatten die prorussischen Kämpfer zuvor das besetzte Polizeihauptquartier geräumt. Kurz darauf wurde jedoch mitgeteilt, die Separatisten hätten nun das Geheimdiensthauptquartier in Kramatorsk besetzt.

Auch der Stadt Slawjansk in der Nähe von Donezk näherte sich am Dienstag eine Kolonne des ukrainischen Militärs. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP handelte es sich um rund ein Dutzend Panzer, ebenso viele gepanzerte Fahrzeuge sowie um sieben Busse mit Soldaten ukrainischer Spezialkräfte. Nach Angaben ukrainischer Journalisten waren Sicherheitskräfte der Spezialeinheiten Alpha (sie gehört zum Geheimdienst SBU) sowie Omega (Speznas des Innenministeriums) in die Region beordert worden.

„Schutz der Bürger vor Terroristen“

Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte vor dem Parlament den Start der seit Langem angedrohten Aktion bekannt gegeben. „Ziel ist der Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land auseinanderreißen wollen“, sagte Turtschinow. Russland hatte Kiew zuvor vor dem Einsatz von Gewalt im Osten des Landes gewarnt. Das sei eine „Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts“, erklärte Außenminister Sergej Lawrow in China. Und es könnte die für Donnerstag geplanten Gespräche zwischen Russland, der Ukraine, den USA und der EU über eine Lösung in der Krise gefährden. Die Separatisten in der Ostukraine hatten am Montag den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Eingreifen aufgefordert.

Russland hat einmal mehr abgestritten, mit den prorussischen Aufständischen etwas zu tun zu haben. Von „absurden“ Vorwürfen sprach Putins Sprecher Dmitrij Peskow. „Es gibt dort keine russischen Truppen.“

Im Westen stoßen Russlands Beteuerungen auf taube Ohren. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat Russland im Konflikt um die Ukraine zum Einlenken aufgefordert. „Russland muss aufhören, ein Teil des Problems zu sein, und damit beginnen, ein Teil der Lösung zu sein“, sagte Rasmussen am Dienstag in Luxemburg vor einem Treffen mit den EU-Verteidigungsministern.

Das US-Außenministerium, das sich auf ukrainische Regierungsquellen berief, sprach von „russischen Geheimdienstmitarbeitern, die direkt beteiligt sind an der Orchestrierung der Aktivitäten prorussischer Widerstandsgruppen in der Ostukraine“.

UNO: Keine systematischen Angriffe

Nach einem in Genf veröffentlichten UN-Bericht hat es in der Ostukraine vereinzelt Übergriffe auf Angehörige der russischen Minderheit gegeben, aber keine systematischen Attacken. Die Regierung in Kiew müsse sicherstellen, dass die Interessen dieser Bevölkerungsgruppe vertreten werden. (ag./red.)

AUF EINEN BLICK

Die ukrainische Armee startete am Dienstag einen Einsatz in der Ostukraine. Sie geht gegen die prorussischen Separatisten vor, die sich in mehreren Städten verbarrikadiert haben.

Russland übte scharfe Kritik an dem Militäreinsatz. Die Ukraine verletze Völkerrecht. Der Kreml betrachtet die Vorfälle in der Ostukraine als „Volksaufstand“. Die Regierung in Kiew und der Westen sehen hingegen Russland hinter den Entwicklungen: Moskau wolle die Ukraine destabilisieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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