Präsidentenwahl: Farce um Algeriens politisches Phantom

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Obwohl Algeriens Staatschef Bouteflika seit einem Hirnschlag gezeichnet ist, tritt er morgen erneut an. Doch der Widerstand gegen den 77-Jährigen wächst.

Kairo/Algier. Seit seinem Hirnschlag kann er nicht mehr gehen, starrt mit gläsernen Augen vor sich hin, bisweilen nuschelt er mit zittrigen Lippen ein paar Worte, die seine Hofschranzen dann laut und deutlich wiederholen und zu ganzen Sätzen ergänzen. Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika ist ein Pflegefall, verlässt kaum noch seine Villa am Stadtrand von Algier.

Seit Mai 2012 ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Lediglich drei oder vier Mal hat er seit seiner Rückkehr aus der Pariser Militärklinik Val-de-Grâce ausländische Staatsgäste zu Mini-Audienzen empfangen, zuletzt US-Außenminister John Kerry. Trotzdem tritt Bouteflika am Donnerstag wieder für das Präsidentenamt an – zum vierten Mal und nach 15 Jahren an der Spitze Algeriens.

Polizei ist allgegenwärtig

Doch der 77-Jährige ist nur noch ein politisches Phantom, sein Wahlkampf, der am Sonntag offiziell zu Ende ging, eine bizarre Farce. Kein Wunder, dass Algerien nahezu allen ausländischen Korrespondenten die Visa für diese Tragikomödie verweigerte.

In keinem anderen arabischen Land sind Polizei und Geheimdienst so dreist und allgegenwärtig wie in Algerien. Korruption, Staatsmafia und autoritäre Bürokratie bilden einen flächendeckenden Filz. Der Ölreichtum wird von einer Nomenklatura von etwa 500.000 Leuten verprasst, der Großteil der Bevölkerung dagegen ist arm, arbeitslos und frustriert.

Knapp 70 Prozent der 38 Millionen Algerier sind jünger als 30 Jahre. Und jeder Dritte von ihnen will nur noch eins – weg aus seiner Heimat. „Ja Bouteflika, mach nur dein viertes Mandat, wir hauen ab – bye-bye Algerien“, spotteten junge Algerier auf hoher See. Ihr Handyvideo, aufgenommen auf einem Motorboot in Richtung Spanien, ist momentan der größte Hit im algerischen Internet.

Trotzdem besteht kaum ein Zweifel, dass Bouteflika am Donnerstag mit über 70 Prozent wiedergewählt wird. Die Europäische Union verzichtete von vornherein, Wahlbeobachter zu schicken. Und die Emissäre der Union Afrikanischer Staaten werden sich wohl wieder – wie bei der Parlamentswahl 2012 – im Luxushotel Safir von Algier mit festlichen Buffets verwöhnen lassen und beide Augen zudrücken.

„Mein Hauptgegner ist der Wahlbetrug“, polterte Ali Benflis, der wichtigste Gegenspieler, der als Einziger größere Scharen bei seinen Auftritten mobilisieren konnte. Der 69-Jährige war Ministerpräsident während der ersten Amtszeit Bouteflikas, überwarf sich mit dem Präsidenten und trat schon einmal bei den Wahlen 2004 gegen ihn an. Damals kam er nach den landesüblichen, groben Manipulationen auf ganze sechs Prozent.

„Weg mit dem System!“

Diesmal jedoch kam es erstmals zu offenen Protesten gegen eine weitere Amtszeit Bouteflikas – vor allem in der Kabylei und im Süden. In der Provinzstadt Bejaia demonstrierten tausende Studenten, skandierten „Weg mit dem System!“, rissen Bouteflika-Plakate herunter und zündeten das Kulturzentrum an. Die Islamisten und die wichtigsten Parteien der säkularen Opposition boykottieren die Wahl.

Nach dem Vorbild des Arabischen Frühlings gründete sich eine „Barakat“-Bewegung („Es reicht“), die ein Ende der faktischen Einparteienherrschaft fordert. „52 Jahre sind genug, weg mit dem Geheimdienst DRS, weg mit Bouteflika“ steht auf den Plakaten, die von Zivilpolizisten weggerissen werden.

Die 38-jährige Ärztin Amina Bouraoui gehört zu den Mitbegründern. Körperlich und geistig sei Bouteflika nicht mehr in der Lage zu regieren, sagt sie. „Darum gehen wir auf die Straße und sagen Nein.“ Das politische System gehöre grundlegend geändert, fordert auch Barakat-Mitstreiter Soufiane Djilali: „Wir haben diesen halb toten Mann satt, und genauso das Gesindel um ihn herum.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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