15 Jahre nach Kosovo-Krieg: Massengrab mit 400 Leichen?

Bereits kurz nach dem Kosovo-Krieg 1999 wurden Massengräber gefunden (Archivbild). Noch immer werden allerdings 1700 Personen vermisst
Bereits kurz nach dem Kosovo-Krieg 1999 wurden Massengräber gefunden (Archivbild). Noch immer werden allerdings 1700 Personen vermisstEPA
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Die diese Woche begonnenen Grabungen könnten Gewissheit über das Schicksal 1998/1999 getöteter Kosovo-Albaner bringen. Im Falle hunderter verschwundener Serben erwartet man bis Jahresende neue Erkenntnisse.

Man wusste, dass sich irgendwo nahe der südserbischen Ortschaft Rudnica mindestens ein Massengrab mit Opfern aus der Zeit des Kosovo-Krieges befinden musste. Dies hatten Augenzeugen glaubwürdig berichtet. Die Ermittler wussten nur lange nicht, wo genau sie suchen sollten - und die mutmaßlichen Täter aus den Reihen der damaligen Sicherheitskräfte schwiegen aus gutem Grund. 2010 fand man dann ein Massengrab mit 250 Leichen. Doch das war noch nicht alles: Im vergangenen Dezember wurden sechs weitere Leichen beim Gebäude des Unternehmens "Kosmet-Puta" entdeckt. Eine neue heiße Spur.

Wie die regierungsnahe serbische Tageszeitung "Politika" am Mittwoch berichtete, könnten nach aktuellen Schätzungen bei Rudnica die sterblichen Überreste von bis zu 400 getöteten Kosovo-Albanern liegen. Auch 15 Jahre nach dem Kosovo-Krieg und sechs Jahre nach der Abspaltung des Kosovo von Serbien ist ja das Schicksal von rund 1700 Menschen nach wie vor ungeklärt. Ein Großteil von ihnen sind Kosovo-Albaner, aber es werden auch noch mehrere hundert Serben vermisst, die etwa Racheakten oder Übergriffen der kosovo-albanischen Untergrundarmee UCK zum Opfer gefallen sind.

Gebäude unmittelbar nach krieg errichtet

Veljko Odalovic, Chef der staatlichen serbischen Kommission für Vermisste auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, will sich bezüglich des Massengrabs in Rudnica (das Dorf befindet sich nahe der Grenze zum Kosovo) gegenüber "Politika" nicht auf Spekulationen einlassen: Noch wisse man gar nicht, wie weit sich das Grab erstrecke, und noch viel weniger, wie viele Leichen dort tatsächlich vergraben worden seien. In zwei Monaten könne man vermutlich mehr sagen. Am Dienstag wurde das Gebäude, das verdächtigerweise unmittelbar nach dem Ende der Nato-Angriffe auf Rest-Jugoslawien im Frühsommer 1999 errichtet worden war, abgerissen, am Donnerstag beginnen die Grabungsarbeiten in den oberen Erdschichten, wo man weitere Leichen zu finden erwartet.

Zäh gestalten sich derweil auch die internationalen Untersuchungen zu Kriegsverbrechen, die der UCK vorgeworfen werden. Chefermittler Clint Williamson, ein in der Untersuchung von Kriegsverbrechen erfahrener US-Diplomat, wird mit seinem Team bis Jahresende einen Untersuchungsbericht vorlegen. Dies berichtete die unabhängige Zeitung "Danas" am Mittwoch. Williamson ist bereits seit 2011 im Amt, seine Kommission, die aus etwa 40 Mitgliedern besteht, untersucht vor allem die Vorwürfe, die der Schweizer Dick Marty, Sonderermittler des Europarats, 2010 erhoben hat.

Schwere Vorwürfe über Organhandel

In Martys Bericht, der damals hohe Wellen schlug, wird der UCK vorgeworfen, Serben im Kosovo gekidnappt, über die Grenze nach Albanien verbracht, und ihnen dort in zumindest zwei Gebäuden (dem berüchtigten "gelben Haus" und einem weiteren Gebäude in der Nähe des Flughafens Tirana) nach ihrer Ermordung per Kopfschuss Organe entnommen zu haben, um diese zu verkaufen. Bisher konnten für diese Vorwürfe allerdings keine Beweise gefunden werden, Serbiens Sonderstaatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen setzt daher große Hoffnungen in die Untersuchungen von Williamson.

Laut der kosovarischen Zeitung "Expres" sollen im Dossier Williamsons die Namen von 120 führenden Personen der damaligen UKC aufgeführt sein, die für das Verschwinden von 320 Serben verantwortlich seien. Mit Spannung wird erwartet, ob auch der Name des jetzigen Premiers Hashim Thaci, 1998/1999 einer der politischen Führer der UCK, darin enthalten sein wird. Marty hatte ihn indirekt in Zusammenhang mit den Organhandels-Vorwürfen gebracht, dies aber später wieder abgeschwächt.

Kosovos heutiger Premier Hashim Thaci (l.), 1999 mit UN-Gesandtem Bernard Kouchner, UCK-Stabschef Agim Ceku (2. v. r) und Nato-Generälen
Kosovos heutiger Premier Hashim Thaci (l.), 1999 mit UN-Gesandtem Bernard Kouchner, UCK-Stabschef Agim Ceku (2. v. r) und Nato-GenerälenEPA

Thaci hat die Anschuldigen immer vehement bestritten. Auch in den USA wird das Resultat von Williamsons Ermittlungen mit Spannung erwartet, könnten sie doch einen schweren Schatten auf die UCK werfen, mit der die Nato und die USA 1998/1999 eng zusammenarbeiteten.

Kosovo stimmt über Tribunal ab

Am heutigen Donnerstag soll das kosovarische Parlament über die Einrichtung eines Sondertribunals entscheiden, das mit internationaler Beteiligung über mutmaßliche Kriegsverbrechen der UCK richten soll, auch auf Basis von Williamsons Ermittlungen. Kosovos Präsidentin Atifete Jahjaga hatte sich für das Tribunal stark gemacht, und nach anfänglichen Widerständen ist auch Premier Thaci zähneknirschend auf diese Linie eingeschwenkt. Die Alternative wäre ein von der UNO oktroyiertes Tribunal gewesen, bei dem die Regierung des Kosovo gar keine Mitsprache gehabt hätte. Das will man dann doch vermeiden.

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