Das Europa der „Tauben“ und „Falken“

EU Council´s President Van Rompuy addresses a news conference during an EU-Africa summit in Brussels
EU Council´s President Van Rompuy addresses a news conference during an EU-Africa summit in Brussels(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Diplomatie. EU setzt Hoffnungen in heutige Verhandlungen in Genf. Nato schickt Mitgliedern im Osten Verstärkung.

Straßburg/Brüssel. „Im Lichte der Ereignisse“ – wenn es um die europäische Reaktion auf die Vorgänge in der Ukraine geht, wird diese Phrase besonders oft bemüht. Am gestrigen Mittwoch griff eine Sprecherin der EU-Kommission zu der Formulierung, als sie danach gefragt wurde, ob die jüngste Eskalation im Osten der Ukraine ein neuerliches Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Union erfordere. Die Antwort: Ratspräsident Herman Van Rompuy werde die Entscheidung „im Lichte der Ereignisse“ treffen. Auf eine ähnliche Wortwahl haben sich die EU-Mitglieder verpflichtet, was eine eventuelle Ausweitung der Sanktionen gegen Russland anbelangt.

Derzeit will die EU aber der Diplomatie den Vorrang geben. Am heutigen Donnerstag findet in Genf ein Treffen der Außenminister von EU, USA, Ukraine und Russland sowie der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton statt, bei dem es um Dialog und Deeskalation gehen soll – und um die Schaffung einer Grundlage für weitere Treffen, wie aus dem Bundeskanzleramt in Berlin verlautete. „Ein Scheitern ist nicht erlaubt!“ – diese Parole gab gestern der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier aus.
Inwieweit sich dieser Wunsch umsetzen lässt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie glaubwürdig die Reaktion der EU auf die russische Aggression in der Ukraine ausfällt. Anfang März hatten sich die europäischen Entscheidungsträger auf einen dreistufigen Sanktionsplan verständigt. Derzeit hält die EU bei Stufe zwei: Kontosperren und Einreiseverbote für einzelne russische Politiker und Militärs. Die dritte Stufe – weitreichende Wirtschaftssanktionen – soll erst dann gezündet werden, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin nach der Ostukraine greift. Die Vorbereitungen für diesen Ernstfall befinden sich in einer fortgeschrittenen Phase, hieß es gestern.

Doch die Bereitschaft zum Wirtschaftskrieg gegen Russland ist gelinde ausgedrückt enden wollend. Und sie hängt nicht primär davon ab, wie wichtig Russland als Handelspartner ist – zu diesem Schluss kommt jedenfalls der britische Thinktank Open Europe, der in einer gestern veröffentlichten Analyse die EU-Mitglieder auf einer zehnstufigen Skala – von schmuseweichen „Tauben“ bis knallharten „Falken“, mit Portugal exakt in der Mitte – gereiht hat. Fazit: Die größten Zauderer gibt es in Zypern, Griechenland, Bulgarien und Luxemburg, gefolgt von Spanien, Italien und den Niederlanden. Österreich und Deutschland sind demnach auf Stufe vier der Härteskala, während die Hardliner im Baltikum, in Polen, Großbritannien, Skandinavien und Rumänien zu finden sind.

Nato unterstützt Ostmitglieder


Bei einem Treffen in Brüssel beschloss die Nato, Flugzeuge, Schiffe und Soldaten in Richtung Osten zu schicken, um in der Ukraine-Krise militärische Stärke gegenüber Russland zu demonstrieren. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach von einer „unverzüglichen“ Umsetzung. Die Truppenzahl war zunächst unklar.

Die Ukraine-Krise hat jedenfalls auch den laufenden Europawahlkampf erreicht. So sprach sich der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, der Luxemburger Jean-Claude Juncker, für weitere Sanktionen gegen Moskau aus, auch wenn sie negative wirtschaftliche Folgen für die EU hätten: „Die Verteidigung von Werten hat einen Preis.“

Unterdessen hat Russland eine neue Front eröffnet – und zwar bei der Welthandelsorganisation WTO. Moskau überlegt derzeit, ob die USA wegen ihrer Sanktionen (unter anderem gegen die Bank Rossija) vor dem WTO-Schiedsgericht verklagt werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2014)

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