Nordkorea privatisiert Drogenhandel

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Nordkorea, Drogen, Diktatur, Kim(c) REUTERS (KYODO)
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Die Kim-Diktatur dürfte wirtschaftlich wesentlich besser dastehen als vom Westen erhofft. Auch sind immer mehr Nordkoreaner am Geschäft mit Heroin und Crystal Meth beteiligt.

Washington. Die internationalen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Isolation des nordkoreanischen Regimes haben seit Mitte der 2000er-Jahre zu einer rasanten Dezentralisierung des bis dahin ausschließlich staatlich organisierten Drogengeschäfts geführt. In Verbindung mit dem stark steigenden legalen Handel mit China führt das eine Reihe von amerikanischen Asien-Fachleuten zur Annahme, dass die Diktatur unter dem Führer Kim Jong-un heute wirtschaftlich deutlich besser dasteht und durch neue Sanktionen weniger geschädigt werden kann, als westliche Regierungen in der Hoffnung auf ein baldiges Zusammenbrechen des Kim-Regimes annehmen.

In einer am Mittwoch in der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution vorgestellten Studie fasst Sheena Chestnut Greitens, eine Politikwissenschaftlerin von der Universität Harvard, den gegenwärtigen Stand der legalen und illegalen wirtschaftlichen Aktivitäten Nordkoreas zusammen. „Es ist nicht mehr sicher, ob der nordkoreanische Staat noch immer jenes Defizit aufweist, das man bisher als Zeichen für seinen wirtschaftlichen Zerfall gedeutet hat“, sagte sie am Mittwoch. „Im Gegenteil: Es gibt Anzeichen, dass es in den vergangenen beiden Jahren ein Wirtschaftswachstum gegeben hat.“ Stärkstes Indiz dafür ist die vor Kurzem veröffentlichte Statistik des Außenhandels zwischen Nordkorea und China. Im Jahr 2013 belief sich die Handelsbilanz der beiden Nachbarländer auf rund 6,5 Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro). Das war eine Steigerung um 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der bisherige Rekordwert.

Erratische Wirtschaftspolitik

Allerdings hat dieser ökonomische Erfolg nichts mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik von Kim Jong-un zu tun, dem Enkel des Staatsgründers Kim il-Sung. „Die ist völlig erratisch“, sagte Marcus Noland, Asien-Fachmann des Peterson Institute for International Economics. Er veranschaulichte das am Umgang Kims mit zwei amerikanischen Besuchern. „Eric Schmidt, Vorstandschef von Google, einer der größten Firmen der Welt, kommt nach Pjöngjang – doch Kim findet keine Zeit für ihn. Dennis Rodman, der Zirkusclown, kommt – und die beiden verbringen Tage miteinander.“

Die starke wirtschaftliche Anbindung an China liegt vielmehr daran, dass die Chinesen Kohle, Zink und Eisenerz unter Weltmarktpreisen aus Nordkorea beziehen und im Gegenzug billige Elektronikartikel dorthin verkaufen.
Das sieht Noland als Grund dafür, weshalb die chinesischen Behörden trotz des stark wachsenden Problems mit nordkoreanischem Metamphetamin (Crystal Meth) in der angrenzenden Provinz Jilin die Grenze nicht so bald schließen werden. Im Jahr 1991 erfassten die dortigen Behörden 44 Drogensüchtige. 2010 waren es mehr als 10.000. Chestnut Greitens gibt zu bedenken, dass gut 90 Prozent dieser Suchtkranken von Crystal Meth abhängig sind – ganz anders als im Rest Chinas, wo 70 Prozent der Abhängigen Heroin verwenden. Dieser lokale Boom von nordkoreanischem Crystal Meth sei eine indirekte Konsequenz der erfolgreichen Arbeit vor allem der japanischen Zollpolizei gegen Nordkoreas Drogenschmuggel. Als immer mehr Razzien die Routen auf die internationalen Märkte verschlossen, begann das Regime in Pjöngjang vor knapp einem Jahrzehnt, den staatlichen Metamphetamin-Komplex in der Hafenstadt Hamhung zu verkleinern.

Metamphetamin-Plage wächst

Die somit arbeitslos gewordenen Chemiker und sonstigen Drogenexperten suchten sich daraufhin quasi privatwirtschaftliche Wege, um ihre Kenntnisse zu Geld zu machen. Über ethnische Koreaner jenseits der Grenze zu China organisieren sie die in Nordkorea nicht verfügbaren Chemikalien und den Export des fertigen Produkts. Immer mehr Nordkoreaner seien an diesem Geschäft beteiligt, und immer mehr von ihnen sind abhängig von Crystal Meth. Es werde heute quer durch alle Gesellschaftsschichten verwendet, warnt Chestnut Greitens. Die nordkoreanischen Gesundheitsbehörden seien mit diesem Problem völlig überfordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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