Obamas asiatische Nagelprobe

JAPAN US OBAMA =
JAPAN US OBAMA =(c) FRANCK ROBICHON / EPA / pictured (FRANCK ROBICHON)
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Vor drei Jahren hat der US-Präsident seine Hinwendung nach Fernost verkündet. Getan hat er seither wenig. Wachsende wirtschaftliche und militärische Spannungen überschatten seine neue Amtsreise.

Washington. Tokio, Seoul, Kuala Lumpur, Manila: Die Haltestellen von Barack Obamas einwöchiger Asien-Reise führen den amerikanischen Präsidenten zu Amerikas ältesten asiatischen Verbündeten ebenso wie in jene Region dieses Weltteils, der die Regierung in Washington zu den größten Hoffnungen und Sorgen gleichermaßen veranlasst. Doch ob Obama nun die Allianz mit Japan und Südkorea zu bekräftigen gedenkt oder Malaysia und die Philippinen in ihren Bemühungen um demokratische Festigung und maritime Verteidigungstüchtigkeit ermuntern will: Der Grund für diese fünfte Reise des Präsidenten liegt in Peking. Chinas Streben nach der Wiederherstellung seiner historischen Vorherrschaft über große Teile Ostasiens stellt Washington vor die vermutlich wichtigste weltpolitische Frage unserer Zeit.

Seit dem Erstarken der Volksrepublik vor drei Jahrzehnten sind die USA ihr mit einer Strategie gegenübergetreten, die von zwei Annahmen getragen war – gleich, ob Demokraten oder Republikaner im Weißen Haus herrschten. Die erste Annahme war liberal: Je mehr das nominell kommunistische China von den materialistischen Segnungen der internationale Weltordnung profitiert, desto eher werde sich Peking auch den ideellen Leitmotiven dieser Ordnung fügen. Die zweite Annahme war realistisch: Solange China sich nicht ins Konzert verantwortungsvoller Staaten einfügt, müsse Amerika die Bündnisse mit seinen Partnern in Fernost aufrechterhalten, um zu verhindern, dass Peking die internationale Ordnung untergräbt.

Harter Realismus ist gefragt

Doch dieser Umgang mit Peking hat sich in den drei Jahren, seit Obama seinen „Pivot“, also die Hinwendung nach Ostasien als Washingtoner Strategie, verkündet hat, als wirkungslos erwiesen. Wirtschaftlich, politisch und militärisch zeigt Peking Mal um Mal, dass es sich um die Einhaltung internationaler Spielregeln nur dann kümmert, wenn sie der Ausweitung der chinesischen Macht nutzen. China ist mittlerweile – und dank starken Rückenwinds der Amerikaner – Mitglied der Welthandelsorganisation WTO; deren Regeln gegen ruinöse staatliche Eingriffe nimmt Peking nur als lästige Hindernisse auf dem Weg zur Kontrolle der Warenmärkte wahr. Im Rahmen der UNO pochen chinesische Diplomaten stets auf den Grundsatz der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten – besonders, wenn aus dem Westen Kritik an seiner Missachtung der Menschenrechte und brutalen Besetzungspolitik in Tibet erklingt. Das hält die chinesische Marine allerdings nicht davon ab, den Philippinen und Japan Inselgruppen mit stiller Gewaltandrohung faktisch zu entreißen. „Angesichts der Unvereinbarkeit zwischen den Charakteristika der internationalen Ordnung (nämlich Offenheit und regelbasierter Entscheidungsfindung) und jenen des chinesischen Regimes (verschlossener Politik und willkürlicher Machtausübung) ist es zweifelhaft, ob die chinesischen Eliten die westliche Ordnung jemals als legitim ansehen werden“, schreibt der chinesische Gelehrte Minxin Pei im Politikmagazin „Foreign Affairs“.

Somit bleibt Obama bloß die realistische Option. Auf den Philippinen wird er ein Abkommen über den weitesten Zugang für die amerikanische Luftwaffe und Marine bekannt geben, seit die USA 1992 ihren Stützpunkt auf Luzón geschlossen haben. Darüber hinaus allerdings sind Obamas Möglichkeiten angesichts des schrumpfenden Militärhaushaltes begrenzt. Neue Flottenverbände kann er nicht schicken. Er kann nur militärische Ressourcen von anderen Schauplätzen – allen voran im Nahen Osten – umlenken. Auch erfordert der Konflikt mit Russland um die Ukraine einen Gutteil der Aufmerksamkeit des Präsidenten und seiner Stäbe. Das Hoffnungsprojekt eines Freihandelsabkommens mit zwölf pazifischen Staaten (ohne China) schließlich steckt im US-Kongress fest, der Obama aus Angst vor Billigkonkurrenz die Hände bindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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