Krise in Osteuropa: Schweden will wieder aufrüsten

Gripen JAS-39.
Gripen JAS-39.(c) EPA (Sandor H. Szabo)
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Schwedens Regierung will nach langem rigiden Sparkurs die Landesverteidigung wieder stärken. Es gibt mehr Geld, neue U-Boote und mehr Gripen-Kampfjets als zuvor geplant.

Schweden kann sich gegen einen Angriff ungefähr eine Woche allein verteidigen.“ Die Worte des schwedischen Militärchefs General Sverker Göranson donnerten Ende 2012 wie ein böses Omen über die von ihrem Militärsparkurs nicht abzubringende bürgerliche Regierung. Die galt traditionell zwar als sehr armeefreundlich, doch seit alte, konservative Parteigranden nach dem Wahlsieg 2006 von jüngeren, marktliberalen Kräften abgelöst wurden, hat sich der Kurs noch weiter in Richtung Kostenoptimierung gedreht: Ganze Stützpunkte wurden eingestampft und Einheiten aufgelöst. Selbst die frühere Linksregierung war im Vergleich dazu eine Gönnerin des Militärs.

Göranson und sein Stab starteten jedenfalls eine regelrechte Kampagne gegen die Sparpolitik in Stockholm. Am Dienstag gab die Regierung dem Druck nach: Jetzt sollen die Streitkräfte des rund neun Millionen Einwohner zählenden neutralen Landes finanziell und materiell ab 2015 „wesentlich verstärkt“ werden. Bis 2024 soll das Militär umgerechnet 600 Millionen Euro mehr pro Jahr erhalten – 2013 waren es 4,5 Milliarden Euro.

Härteres Schild für Luftraum

Die Sicherheitslage habe sich durch die Entwicklungen im Osten Europas verändert, hieß es zur Begründung. „Russland hat Teile eines souveränen Landes okkupiert. Mit gelenkten Demonstranten, Androhungen von Gaslieferstopps und einer mächtigen Propagandamaschine handelt Moskau, um die Lage in der Ukraine bewusst zu destabilisieren. All das ergänzt durch verstärkte Truppenpräsenz“, erklärt die Vier-Parteien-Regierung in der Zeitung „Dagens Nyheter“ ihre neue Haltung.

Verbessert werden soll die militärische Präsenz im Ostseeraum. Die Insel Gotland soll verstärkt zur Militärbasis ausgebaut werden. Schwedens Ostseeluftraum wurde mehrfach von der russischen Luftwaffe verletzt: Schwedens langsam reagierende Luftwaffe war teils nicht einmal in der Lage, rechtzeitig Jäger hinaufzuschicken. Zudem soll auch die Bereitschaft des Heeres durch vermehrte Übungen für Reservisten gesteigert werden.

Verstärkt wird auch die materielle Neuanschaffung und Modernisierung: So bekommt die Luftwaffe statt 60 nun 70 neue bzw. kampfwertgesteigerte Gripen-Kampfjets. Die Luftwaffe zählt derzeit im Kern etwa 150 Gripen, von denen rund ein Drittel älteren Typs und eingelagert oder Trainer sind, die eingelagerten sollen kampfwertgesteigert werden. Die Piloten sollen wieder mehr fliegen und die bodengestützte Luftverteidigung mit Fla-Raketen ausgebaut werden. Zudem will Stockholm zwei neue U-Boote kaufen und drei ältere modernisieren, dazu kommen neue Überwasserschiffe.

Über die Anschaffungspläne dürfte sich vorwiegend der kriselnde Rüstungskonzern Saab freuen. Der bangt derzeit auch um den Ausgang eines Volksentscheids Mitte Mai in der Schweiz über den Kauf neuer Gripen. Zudem verhandelt Saab mit dem deutschen Konzern Thyssen-Krupp über die Übernahme des U-Boot-Produzenten Kockums mit Hauptsitz in Schweden. Der Rüstungskonzern Saab hat nichts mit der Autofirma zu tun.

Weniger Auslandseinsätze

Die erhöhten Rüstungsausgaben sollen unter anderem durch Kürzungen bei Auslandseinsätzen und Verwaltungskosten mitfinanziert werden. Die Regierung hofft auf einen breiten Kompromiss im Parlament mit der Opposition.

Die deutliche Wende im militärischen Abmagerungskurs habe indes weniger mit realer Bedrohung, sondern mit der Parlamentswahl in Schweden im Herbst zu tun, sagen einige Kritiker. Dabei droht der Regierung eine Niederlage gegenüber der linken Opposition. Jüngst hatten sich freilich in einer Umfrage deutlich mehr Schweden für eine Nato-Mitgliedschaft ausgesprochen als früher – auch wenn sie insgesamt noch in der Minderheit sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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