„Ukraine ist nicht bereit für die EU“

Miroslav Lajčák
Miroslav Lajčák (c) Michaela Bruckberger
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Der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák will bis zum Ende des Monats eine Einigung über Gaslieferungen an die Ukraine erzielt haben.

Die Presse: Herr Minister, die EU-Osterweiterung jährt sich am 1. Mai zum zehnten Mal. Wenn Sie zurückblicken, sehen Sie dann eine Erfolgsgeschichte?

Miroslav Lajčák: Definitiv. Die Erweiterung hat der Europäischen Union mehr Gewicht verliehen und sie in eine echte globale Kraft verwandelt. Den zehn betroffenen Ländern hat die Mitgliedschaft einen Aufschwung verliehen. Die Slowakei hat zum Beispiel das Pro-Kopf-BIP um 58 Prozent steigern können. Außerdem hat die Integration der Slowakei nicht mit der EU-Mitgliedschaft aufgehört, sie ist auch Schengen und der Eurozone beigetreten. Wir exportieren 85 Prozent unserer Güter in die EU und 90 Prozent der Investments kommen von dort.

Spüren Sie keine EU-Krisenstimmung im Land?

Fakt ist, dass die Hälfte unserer EU-Mitgliedschaft von der Wirtschaftskrise markiert war. Trotzdem unterstützen die Slowaken weiterhin die EU, die Menschen haben verstanden, dass der Beitritt eine gute Sache war. Schließlich sind nicht die neuen Mitglieder für die Krise verantwortlich.

Wenn wir sagen, dass die EU-Integration der Slowakei ein positives Beispiel ist, kann Ihr Land auch als Vorbild für die Integration der Ukraine dienen?

Die Slowakei kann für viele Länder als ein positives Beispiel herangezogen werden – und das wird sie auch, etwa für die Länder auf dem Balkan. Was die Ukraine betrifft: Deren EU-Mitgliedschaft steht derzeit nicht auf der Agenda. In Teilen des Landes – im Süden und Osten – gibt es Stimmen, die eine EU-Mitgliedschaft nicht befürworten. Das Land muss aber einvernehmlich dafür sein, und wir können der Ukraine diese Entscheidung nicht abnehmen. Wir sollten aber die Zusammenarbeit fortsetzen.

Als direktes Nachbarland würde die Slowakei von der Mitgliedschaft der Ukraine profitieren.

Die Ukraine ist zehn Mal größer als die Slowakei, aber unser Handel mit der Ukraine beläuft sich nur auf 20 Prozent unseres Handels mit Österreich. Diese Zahl spricht für sich. Natürlich wäre ein Beitritt der Ukraine positiv für die EU, aber das Land ist noch nicht bereit dafür...

...und auch nicht für einen Nato-Beitritt?

Das ist noch kontroversieller als ein EU-Beitritt. Ich glaube, es wäre ein Fehler, wenn wir zu diesem Zeitpunkt an der Idee festhielten, die Ukraine in die Nato aufzunehmen. Das würde die Kluft im Land zwischen dem Westen und Osten noch mehr vertiefen. Für die Slowakei hingegen hatte der Nato-Beitritt (2004, Anm.) positive Auswirkungen, unsere Sicherheit ist nun auch das Anliegen aller Mitgliedstaaten.

Wie weit sind die Gespräche mit der Ukraine bezüglich der Gaslieferungen fortgeschritten? Nach dem Gasstreit mit Russland ist die Ukraine auf Lieferungen aus Westeuropa angewiesen.

Die Slowakei spielt hier eine große Rolle, da wir der Haupttransportweg für die Lieferung von russischem Gas sind. Wir sind aber nicht bereit, bestehende Verträge zu ignorieren und neue Vereinbarungen zu unterschreiben.

Durch die bereits bestehenden Leitungen könnte die Gaszufuhr umgedreht werden, also aus Deutschland – vom RWE-Konzern – in die Ukraine. Dieser Reverse-Lieferung hat die Slowakei bisher aber nicht zugestimmt. Wollen Sie das überhaupt?

Absolut. Wir haben die Infrastruktur, und wir sind bereit, die nötigen Schritte zu setzen.

Der ukrainische Energieminister, Juri Prodan, meinte kürzlich, dass erst die Einigung mit der Slowakei sie von russischem Gas unabhängig machen würde. Er sagte auch: „Mit der Slowakei haben wir es nicht einfach.“

Ich habe vergangene Woche in Kiew mit Juri Prodan gesprochen und ihm vorgeschlagen, dass er mehr mit uns und weniger mit den Medien sprechen sollte. Mit den Ukrainern haben wir seit Dezember keine Kommunikation, trotzdem wird in Interviews und Statements die angebliche slowakische Position falsch interpretiert.

Wann kann mit einer Einigung gerechnet werden?

Diesen Donnerstag werden sowohl der ukrainische als auch der russische Energieminister in die Slowakei kommen. Auch die Europäische Union wird vertreten sein. Spätestens bis zum Ende dieses Monats wollen wir dann ein Memorandum unterzeichnet haben, das die Reverse-Lieferungen legalisieren würde.

AUF EINEN BLICK

Veranstaltung. Zum Zehn-Jahre-Jubiläum der EU-Osterweiterung veranstaltet das Außenministerium die Konferenz „10 Years after the 2004 EU Enlargement: Achievement and Next Steps“. Die Diskussionsrunden finden am 24. und 25. April in Wien statt.


Am Donnerstag nimmt der slowakische Außenminister, Miroslav Lajčák, gemeinsam mit Außenminister Sebastian Kurz, der ungarischen Staatssekretärin für EU-Fragen, Enikö Györi, sowie Andrej Mertelj (Datalab AG) und Andreas Treichl (Erste-Group-Bank) an einer von „Presse“-Außenpolitikchef Christian Ultsch moderierten Diskussion teil. Beginn: 18 Uhr, Palais Niederösterreich, Herrengasse 13, 1010 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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