Nahost-Krise: Kurz als Bote zwischen Israel und Abbas

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Israels Premier Netanjahu kritisierte Abkommen zwischen Fatah und Hamas und gab Außenminister Kurz eine Botschaft an Palästinenser mit: Israel wolle weiter verhandeln.

Jerusalem/Ramallah. Ursprünglich waren für das Treffen nur 15Minuten vorgesehen. Dann dauerte es aber eine Stunde. „Sie kommen zu einem wichtigen Zeitpunkt“ , sagte Israels Premier, Benjamin Netanjahu, am Mittwoch bei seiner Unterredung mit Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz. „Wir versuchen, den Friedensprozess mit den Palästinensern wieder in Gang zu setzen.“ Und am Beginn des Gesprächs mit Kurz stellte Israels Premier klar, was er von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas erwarte: „Abbas muss sich entscheiden: Entweder will er Frieden mit Israel oder Versöhnung mit der Hamas.“

Netanjahu reagierte damit auf Meldungen, wonach die neuen Verhandlungen zwischen der Fatah von Abbas und der islamistischen Hamas erste Fortschritte gebracht haben: Man einigte sich darauf, bis in fünf Wochen eine Einheitsregierung zu bilden. In sechs Monaten sollen dann Wahlen abgehalten werden. Während die Fatah das Westjordanland regiert, kontrolliert die Hamas den Gazastreifen. 2007 ist es zu offenen Kämpfen zwischen beiden gekommen. Seither hat es zwischen den beiden palästinensischen Fraktionen immer wieder Versuche gegeben, zu einem Ausgleich zu gelangen. Und mehrmals schien es bereits so, als gäbe es eine Einigung, die aber stets im letzten Moment scheiterte. Israel hat nur Kontakte zu Abbas Behörde und der Fatah. In der Hamas sieht Jerusalem eine Terrororganisation.

„Hamas muss sich ändern“

Er würde Netanjahus Forderung an Abbas nicht überinterpretieren, sagte Kurz später vor Journalisten: „Netanjahu hat über die Hamas zum jetzigen Zeitpunkt gesprochen.“ Klar sei: „Die Hamas muss sich ändern. Sie muss klar Israel anerkennen und auf Gewalt verzichten.“ Grundsätzlich sei es gut, würden Fatah und Hamas wieder zusammenarbeiten.

Netanjahu gab Kurz auch eine Botschaft für dessen Treffen mit Abbas Mittwochabend mit: Kurz solle doch Abbas dazu drängen, die Verhandlungen mit Israel fortzusetzen. Diese Nachricht an die Palästinenser hatte bereits die Justizministerin und israelische Chefverhandlerin Tzipi Livni Kurz am Dienstag übermittelt. Das decke sich ohnehin mit dem Zugang Österreichs, so Kurz: „Wir haben den Anspruch an beide Seiten, dass verhandelt wird.“ Die Gespräche zwischen Israelis und Palästinenser über eine Lösung des Konflikts kamen zuletzt zum Erliegen.

Die palästinensische Seite verlangte als Vorbedingung von Israel die Freilassung weiterer Gefangener. Da sich dieses Mal unter den Personen, die enthaftet werden sollten, auch Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft befinden, legten sich Teile der israelischen Regierung quer. Die Autonomiebehörde beantragte daraufhin die Aufnahme bei 15 weiteren internationalen Verträgen – aus Sicht Israels ein weiterer einseitiger Schritt der Palästinenser in Richtung Ausrufung eines eigenen Staates.

"Kein Hindernis für Verhandlungen"

Aus Protest über die Einigung zwischen der Fatah und der Hamas sagte die israelische Seite für Mittwochabend ein Treffen mit den Palästinensern ab. Auf palästinensicher Seite stieß das auf Unverständnis. Das Abkommen mit der Hamas sei kein Hindernis für die Fortsetzung der Verhandlungen mit Israel, beteuerte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas.

„Natürlich tun wir alles dafür, dass die Verhandlungen weitergehen“, sagte indes der Chefverhandler der Palästinenser, Saeb Erekat, Mittwochnachmittag nach seinem Treffen mit Kurz in Ramallah, der Hauptstadt der Palästinensergebiete. Keiner würde unter einem Ende der Gespräche mehr leiden als die Palästinenser.Erekat warf der israelischen Regierung vor, in Wahrheit an Verhandlungen gar nicht interessiert zu sein. „Wie können sie weiter Siedlungen in den besetzten Gebieten bauen und zugleich sagen, dass wir einen Staat bekommen sollen?“ Israel müsse den Siedlungsbau stoppen und über ein Abkommen unter Bezug auf die Grenzen von 1967 verhandeln. Gerüchten, die Palästinenser könnten aus Protest ihre eigene Autonomiebehörde auflösen, widersprach Erekat: „Niemand wird die Autonomiebehörde auflösen.“ Das Problem sei vielmehr, dass Israel eine Behörde ohne Befugnisse wolle: „Sie wollten eine Besatzung, die sie nichts kostet.“

Wenige Kilometer vom Büro Erekats entfernt liegt das palästinensische Flüchtlingslager al-Amari. Enge Gassen führen zwischen mehrstöckigen Häusern durch. Auf den dazwischen gespannten Stromleitungen hängt Wäsche. Viele Häuser wurden ohne Rücksicht auf statische Notwendigkeiten weiter in die Höhe gebaut – um Platz zu schaffen für die Menschen, die hier wohnen: 6500 Palästinenser leben hier – mehrere Generationen von Flüchtlingen. Sie warten nach wie vor darauf, dass sich die Politiker auf eine Lösung des jahrzehntelangen Konflikts einigen.

AUF EINEN BLICK

Wenige Tage vor Ablauf einer Frist bei den Nahost-Friedensgesprächen stellte Israel Palästinenser-Präsident Abbas ein Ultimatum: Abbas müsse sich zwischen einer „Versöhnung mit der Hamas oder dem Frieden mit Israel“ entscheiden, so gestern Premier Netanjahu. Hintergrund ist ein neuer Anlauf der Palästinenser, die Fatah-Organisation von Abbas mit der rivalisierenden islamistischen Hamas auszusöhnen. Die beiden Bewegungen einigten sich auf die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung und Neuwahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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