Kriegsgefahr: Lawrow droht Ukraine mit Gegenschlag

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RUSSIA CASPIAN STATES CONFERENCE(c) APA/EPA/SERGEI CHIRIKOV (SERGEI CHIRIKOV)
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Moskau fordert den Rückzug der ukrainischen Armee aus den östlichen Regionen. Sollten russische Bürger zu Schaden kommen, sei mit einer militärischen Antwort zu rechnen.

Wenn jemand Strenge und Grant in einer Person vereint, dann Sergej Lawrow. Russlands Außenminister war bei dem Exklusivinterview, das er dem russischen Staatssender Russia Today (RT) am Mittwoch zur angespannten Lage in der Ukraine gab, in seinem Element. Die untreue Ex-Sowjetrepublik wird gescholten, vielleicht kommt sie dann zur Einsicht: So könnte man die Lawrow'sche Pädagogik beschreiben. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass Premierminister Arsenij Jazenjuk einen Besuch im Vatikan plane, erklärte Lawrow. Jazenjuk solle besser in den Süden seines Landes fahren und dort mit den aufständischen Bürgern das Gespräch suchen, riet er in dem in englischer Sprache geführten Interview. Es war freilich vielmehr ein Communiqué in Form eines angedeuteten Zwiegesprächs, das Sophie Schewardnadse führte, die - auch das eine postsowjetische Verwerfung - bei RT angestellte Enkelin des früheren sowjetischen Außenministers und späteren georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse.

Bürger "keine Marionetten"

Die Behörden in Kiew, so Lawrow, würden die in Genf getroffenen Vereinbarungen nicht umsetzen - für Russland ist das in erster Linie die Entwaffnung des Rechten Sektors und die Auflösung der Zeltstadt auf dem Kiewer Maidan.

Bezugnehmend auf Moskaus Einfluss auf die ostukrainischen Separatisten - ihr Rückzug ist Priorität für die Kiew sowie für EU und USA - entgegnete Lawrow: „Diese Menschen sind keine Marionetten. Wir können nicht garantieren, dass sie den Befehlen aus Kiew gehorsam Folge leisten." Moskau habe ebenfalls keine Befehlsgewalt über sie.

Sollte die ukrainische Regierung ihre Drohung, den Militäreinsatz nach den Osterfeiertagen erneut zu starten, wahrmachen, beschwor Lawrow die Gefahr einer Eskalation in den ostukrainischen Gebieten. Russland habe noch immer seine Truppen hinter der Grenze stationiert. „Sollten die Interessen von Bürgern der Russischen Föderation verletzt werden", sehe er keinen anderen Ausweg als militärische Gegenwehr. Mit anderen Worten: „Wenn sie uns überfallen, werden wir antworten." In einer Stellungnahme des Moskauer Außenministeriums wird ein Abzug ukrainischer Truppen aus dem Osten und Süden gefordert.

Kiew kündigte gestern eine Offensive gegen pro-russische Separatisten im Osten statt. Sollte Moskau aggressiv vorgehen, hoffe man auf handfestere US-Hilfe. Der „Antiterroreinsatz" fände mit Unterstützung der USA statt, hieß es zudem. Für Lawrow eine Provokation: Er geißelte die USA, die - im Gegensatz zu den „überlegteren" Europäern - offen die Konfrontation suchten. Es sei kein Zufall, dass ausgerechnet einen Tag nach der Visite von US-Vizepräsident Joe Biden die Ukraine mit einer Militäroffensive drohe. „Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass die Amerikaner zu einem Großteil hier die Fäden ziehen."

Kumpel fordern mehr Lohn

In der Ostukraine ist die Situation indes weiter angespannt. Etwa 2000 streikende Bergarbeiter haben ein Bürogebäude in der Stadt Krasnodon nahe der russischen Grenze besetzt und die Fahne der prorussischen Separatisten gehisst. Die Streikenden in der 75.000-Einwohner-Stadt fordern bis zu einem Viertel mehr Lohn. Die Minen gehören dem reichsten Ukrainer, dem Oligarchen Rinat Achmetow, der es in der Ostukraine-Krise bisher vermieden hat, offen für eine Seite Partei zu ergreifen. Zudem verlangten die Demonstranten Busse für den Transport in die Gebietshauptstadt Lugansk, wie der Kiewer Internetsender hromadske.tv berichtete. Dort halten zum Teil bewaffnete Aktivisten seit Wochen die Geheimdienstzentrale besetzt. Sie fordern ein Referendum über die Loslösung der Region von der Ukraine.

In der Stadt Slawjansk wurde am Dienstag indes der US-Journalist Simon Ostrovsky von Bewaffneten verhaftet. Wo der Journalist, der für seine investigativen Videobeiträge für „Vice-News" bekannt ist, festgehalten wird, ist unklar. Nahe Slawjansk wurde die Leiche eines Stadtrats gefunden, der gegen prorussische Besetzer aufgetreten war. Wolodymyr Rybaks Körper weise Folterspuren auf, gab das Kiew bekannt. (som/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2014)

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