Abfuhr für palästinensische Einigung

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Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt nach der Aussöhnung von Hamas und Fatah die Friedensverhandlungen aus. Die israelische Regierung erwägt außerdem neue Sanktionen.

Jerusalem. Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, lehnt Verhandlungen mit einer palästinensischen Einheitsregierung ab – erst am Mittwoch haben die zerstrittenen Parteien Hamas und Fatah ihre Versöhnung angekündigt. „Wer die Hamas wählt, will keinen Frieden“, kommentierte Netanjahu und berief gestern das Sicherheitskabinett ein, um über neue Sanktionen gegen die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah zu beraten. Am späten Nachmittag war es dann amtlich: Israel setzt die Friedensverhandlungen aus.

Aus Sicht von Präsident Mahmoud Abbas (Fatah) hingegen schließt die innerpalästinensische Versöhnung eine Fortsetzung der Verhandlungen keineswegs aus. Eine Regierung der nationalen Einheit, so erklärte Abbas-Berater Dschibril Radschub gegenüber dem israelischen Hörfunk, werde „die Bedingungen des Nahost-Quartetts und die Zwei-Staaten-Lösung annehmen“. Dazu gehört die unbedingte Gewaltfreiheit und eine Anerkennung Israels.

„Die Ära der Teilung ist zu Ende“, verkündete Ismail Hanijeh, Hamas-Regierungschef im Gazastreifen, die Versöhnung. Sichtlich erleichtert fügte Azzam al-Ahmed, der im Auftrag der Fatah zu den Verhandlungen nach Gaza gereist war, hinzu, dass „wir vergessen werden, was in der Vergangenheit passiert ist“. Die beiden seit sieben Jahren zerstrittenen Parteien einigten sich auf die Gründung einer Übergangsregierung innerhalb von fünf Wochen und anschließenden Neuwahlen in den kommenden sechs Monaten.

Der bisherige Kampf der palästinensischen Parteien hinterlässt ein blutiges Schlachtfeld, es bleibt ein langer Weg bis zur nationalen Einheit, die in der Vergangenheit wiederholt an der Umsetzung scheiterte. Die Einheitsregierung soll sich aus Technokraten zusammensetzen. Bei den Regierungsrichtlinien sollen politische Ideologien so weit wie möglich ausgespart bleiben. Eine Anerkennung der Prinzipien des Nahost-Quartetts (USA, EU, UN und Russland) würde die Hamas zur Gewaltabsage und der Anerkennung Israels zwingen, was sie stets ablehnte. Abbas behält das Zepter bis zum Ende des Jahres weiter in der Hand. Doch schon an der Sicherheitskooperation mit Israels Armee, zu der die Fatah verpflichtet ist, könnte der begonnene Prozess scheitern.

Unverständnis über Netanjahu

Die Fatah wehrte sich dagegen, die Kontrolle über die palästinensischen Sicherheitsdienste aufzugeben, als die Hamas im Frühjahr 2006 die Wahlen für sich entschied. In Reaktion auf die gewaltsame Machtübernahme der Islamisten in Gaza gut ein Jahr später und aus Sorge davor, die Hamas könne auch im Westjordanland die Kontrolle übernehmen, legten die Fatah-Terroristen die Waffen nieder, und palästinensische und israelische Polizisten jagen seither den gemeinsamen Feind Hamas.

Sollte Abbas offiziell die Sicherheitskooperation beenden, droht der Palästinensischen Autonomiebehörde das Ende der US-Finanzhilfen. Das Weiße Haus warnte bereits, dass ein Zusammengehen der Fatah mit der Hamas die Fortsetzung der Friedensverhandlungen „ernsthaft“ erschwere.

Es könne von Israel schwerlich erwartet werden, „Verhandlungen mit einer Regierung zu führen, die nicht an das Existenzrecht Israels glaubt“, kommentierte die US-Außenamtssprecherin Jen Psaki.

Der unabhängige palästinensische Politiker Mustafa Barghouti, der bei der Versöhnung zwischen Fatah und Hamas vermittelte, zeigte Unverständnis über Netanjahu. „Jahrelang redet er davon, dass er mit einer Führung, die nicht alle Palästinenser vertritt, keinen Frieden machen kann, und jetzt stellt er uns vor die Wahl: Hamas oder Israel.“

AUF EINEN BLICK

Hamas und Fatah. Die zerstrittenen palästinensischen Parteien haben ihre Aussöhnung angekündigt. Innerhalb von fünf Wochen soll eine Übergangsregierung gebildet werden, in den kommenden sechs Monaten sollen Neuwahlen stattfinden. Israel und die USA sehen durch die Einigung die Friedensverhandlungen gefährdet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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