Sebastian Kurz: "Nützt die Chance für Atomdeal"

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Außenminister Kurz einigte sich mit seinem Gastgeber in der Islamischen Republik in einen Dialog über Menschenrechte einzutreten. Teheran lockt Wien mit wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Besonders lange ist Sebastian Kurz noch nicht Außenminister, gerade einmal vier Monate. Seinen iranischen Amtskollegen Javad Zarif hat er in dieser Zeit besonders oft getroffen – am Sonntag zum vierten Mal, diesmal in Teheran, unter riesigen Kristalllüstern im iranischen Außenministerium, einem prunkvollen Gebäude aus einer versunkenen Zeit, als noch die Kadscharen (1779 und 1925) in Persien geherrscht haben.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz vor schweren Satinvorhängen und auf gebohnertem Parkettboden bedankte sich Zarif bei seinem „Freund“ für die gute Organisation der Atomgespräche im Wiener Palais Coburg, zu denen er in den vergangenen Wochen zwei Mal angereist war. Und ums Atom drehten sich auch die Gespräche im Iran. Kurz appellierte an seine Gastgeber, sich die Gelegenheit für eine friedliche Einigung im Atomstreit nicht entgehen zu lassen. „Nützt die Chance“, sagte er. Tatsächlich steht jetzt das Fenster für eine Lösung offen, so weit wie seit mehr als zehn Jahren nicht. Doch die Zeit drängt. Am 20. Juli sollen die Gespräche laut Genfer Interim-Abkommen abgeschlossen sein. Sie laufen angeblich gut.

Khamenei entscheidet

Über Langstreckenraketen will Zarif nicht verhandeln: Diese Waffen hätten mit dem Atomprogramm nichts zu tun und dienten Verteidigungszwecken. Im Übrigen wolle der Iran gar keine Atomwaffen, denn dies verstieße gegen den Islam. Die internationale Gemeinschaft ist sich da nach einer ganzen Kette verdächtiger iranischer Vertuschungsaktionen nicht so sicher. Sie will deshalb durch Kontrollen und Einschränkungen bei der Anreicherung von Uran sicherstellen, dass der Iran keine Atombomben baut.

Noch haben der Iran und die EU-3+3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, die USA, Russland, China – koordiniert von Lady Ashton) nicht damit angefangen, das Enddokument zu formulieren. Im Detail steckt bekanntlich der Teufel. Zudem ist die Front der Querschützen mindestens so breit wie jene der Befürworter. Im Iran machten konservative Kräfte zuletzt zunehmend mobil. „Es wird immer welche geben, die ein Atomabkommen ablehnen“, sagte Zarif. Es gebe eine Vielzahl von Meinungen. Präsident Hassan Rohani handle mit einem Mandat des Volkes. Am Ende werde es darauf ankommen, ob die Mehrheit der Bevölkerung ein Abkommen unterstütze.

Jenen Mann, der den Daumen heben oder senken wird, nannte Zarif freilich nicht: Ayatollah Ali Khamenei wird letztlich entscheiden, ob der Iran unter dem Druck der Wirtschaftssanktionen sein Atomprogramm einschränken wird oder nicht. Bisher unterstützte er die Atomverhandlungen, doch das kann sich noch ändern.

Wie stark Zarif innenpolitisch unter Druck ist, zeigte sich Anfang März, nachdem die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Teheran abseits des Protokolls mit iranischen Menschenrechtsaktivisten traf, und zwar ausgerechnet in der Residenz des österreichischen Botschafters. Das brachte dem Botschafter Friedrich Stift einen öffentlichen Rüffel ein. Er wurde ins iranische Außenamt zitiert. Und Zarif selbst wurde in der Angelegenheit vom konservativ dominierten Parlament vorgeladen. Seine Gegner suchen jeden Anlass, um ihn zu schwächen. Wenn es eng wird, wird Rohani seinen Chefdiplomaten wohl als Ersten opfern.

Die Affäre scheint mittlerweile vom Tisch zu sein. Doch die österreichischen Journalisten, die Kurz nach Teheran begleitet hatten, bekamen einen Nachhall zu spüren. Das iranische Außenamt erteilte ihnen die Auflage, sich im Iran nur innerhalb der Delegation bewegen zu dürfen. Mit Medien pflegt die Regierung bekanntlich einen eigentümlichen Umgang. Dutzende Journalisten sind hinter Gittern. Und etliche ausländische Zeitungen, die missliebig berichten, sind im Internet gesperrt, darunter auch „Die Presse“.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, der eingesetzt hat, auch für viele Firmen. Seit Monaten scharren westliche Unternehmen in den Startlöchern, darunter auch die OMV, um nach einer Aufhebung der Sanktionen reiche Ernte einzufahren. Der Iran ist mit 77 Millionen Einwohnern ein riesiger Markt, das Land verfügt über enorme Öl- und Gasreserven. Ein Argument, das für die EU in Zeiten der Konfrontation mit Russland an Gewicht gewinnt.

Es war also kein Zufall, dass Zarif versuchte, seinen jungen Gast aus Wien mit wirtschaftlichen Möglichkeiten im Iran zu locken. Das Wirtschaftspotenzial zwischen Österreich und dem Iran sei noch nicht ausgeschöpft, sagte er. Kurz hielt sich jedoch an die Linie der EU. Erst nach einer Lösung des Atomstreits könnten die Sanktionen aufgehoben werden. Er sprach auch lediglich von einem potenziellen Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer, den er mit seiner Reise vorbereite. Im Klartext: Das österreichische Staatsoberhaupt wird erst dann nach Teheran kommen, wenn der Atomdeal steht.

Gesprächskanäle offengehalten

Offen sprach Kurz auch Menschenrechtsfragen an, zunächst unter vier Augen: Er bat seinen Gastgeber um Hilfe bei konkreten Fällen. In der Pressekonferenz blieb er etwas diffuser, drückte aber wacker seine Sorge über die Menschenrechtssituation aus, „ohne den Zeigefinger zu erheben“. Kurz und Zarif waren sich einig, den Dialog über Menschenrechte auf akademischer Ebene zu intensivieren. Vermutlich wird das Boltzmann-Institut mit der Aufgabe beauftragt.

Zarif betonte, der Iran habe Interesse an einem ernsthaften Menschenrechtsdialog, wenn er auf gegenseitigem Respekt basiere. Kurz hob hervor, dass Österreich auch in schwierigen Zeiten Gesprächskanäle mit dem Iran offengehalten habe. Das soll sich im Endeffekt lohnen, auch wirtschaftlich.

Das Außenamt trägt einen Teil der Reisekosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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