US-Sanktionen gehen Russland "auf die Nerven"

Wladimir Putin lässt ausrichten, dass die US-Sanktionen zum
Wladimir Putin lässt ausrichten, dass die US-Sanktionen zum "Bumerang" werden könnten.(c) APA/EPA/ALEXEY DRUZHINYN /RIA NO
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Die Russen glauben, mit den Sojuskapseln, die die ISS versorgen, ein Druckmittel gegen die USA gefunden zu haben. Die Sanktionen beeinflussen auch die Verhandlungen über die festgehaltenen OSZE-Mitarbeiter.

Die von den USA in der Ukraine-Krise verhängten Strafmaßnahmen gegen Russland könnten sich Moskau zufolge als Eigentor erweisen: Sollte Washington den russischen Raketensektor ins Visier nehmen, würde dies automatisch die US-Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS treffen, sagte Russlands stellvertretender Regierungschef Dmitri Rogosin am Dienstag laut der Nachrichtenagentur Interfax.

Die Agentur Itar-Tass zitierte Rogosin mit den Worten: "Ehrlich gesagt, sie fangen an, uns mit ihren Sanktionen auf die Nerven zu gehen. Und sie verstehen nicht einmal, dass sie für sie zum Bumerang werden."

Auf Sojus-Kapseln angewiesen

Seit dem letzten Flug eines Space Shuttles im Sommer 2011 sind die USA für bemannte Flüge zur ISS auf die russischen "Sojus"-Kapseln angewiesen. Die neue US-Raumkapsel "Orion" wird erst in einiger Zeit vollständig einsatzbereit sein. Derzeit befinden sich außer dem japanischen ISS-Kommandanten drei russische Kosmonauten und zwei US-Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation.

Die USA hatten ihre Strafmaßnahmen gegen Russland am Montag verschärft. So gelten für US-Firmen strengere Bestimmungen bei Exporten von Hightech-Artikeln nach Russland, die für militärische Zwecke verwendet werden können. Rogosin, ehemaliger russischer Vertreter bei der NATO, steht seit März auf den Sanktionslisten von EU und USA. Gegen ihn wurden Einreiseverbote verhängt, außerdem wurden seine Auslandskonten gesperrt.

Merkel bespricht sich mit Obama

Beim Besuch von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident Barack Obama könnten auch schärfere Strafmaßnahmen gegen Russland diskutiert werden, hieß es am Dienstag in Berliner Regierungskreisen. Merkel reist am Donnerstag nach Washington.

Die am Dienstag im Amtsblatt der EU veröffentlichte Namensliste führen der russische Vize-Ministerpräsident Dmitri Kosak, der Chef des russischen Militärgeheimdienstes, Igor Sergun, Generalstabschef Waleri Gerassimow sowie der russische Krim-Minister Oleg Saweljow an. Zu den genannten Rebellenführern aus dem Osten der Ukraine gehören Igor Strelkow, der an Zwischenfällen in Slawjansk beteiligt war, sowie der Leiter der "Republik Donezk", Andrej Purgin.

Truppenrückzug angekündigt

Trotz zur Schau gestellter Gelassenheit der Russen, sind die an Manövern an der ukrainischen Grenze beteiligten russischen Truppen nach Darstellung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu an ihre Standorte zurückgekehrt. Das sagte Schoigu am Montagabend während eines Telefonats mit seinem US-Kollegen Chuck Hagel, wie die Agentur Interfax berichtete.

Grund für den Abzug der Truppen sei die Beteuerung aus Kiew, die ukrainische Armee "nicht gegen unbewaffnete Zivilisten" im Osten des Landes einzusetzen. Russland hatte Mitte April zusätzliche Einheiten an die Grenze zur Ukraine zu "Manövern" verlegt.

Die NATO kann indes den russischen Truppenabzug aus dem Grenzgebiet zur Ukraine - wie von Russland berichtet - nicht bestätigen. Dem Bündnis lägen derzeit keine Informationen vor, "die auf einen Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze hindeuten", so das Militärbündnis.

Neue Sanktionen bremsen OSZE-Verhandlungen

Die verschärften EU-Sanktionen wirken sich hingegen negativ auf die Verhandlungen mit den Entführern von OSZE-Beobachtern in Slawjansk aus. Weil die neuen Einreiseverbote und Kontensperren auch pro-russische Separatisten in der Ukraine betreffen, wurden diese ausgesetzt. Sieben OSZE-Mitarbeiter sind noch in den Händen der Separatisten.

Die Gespräche mit der OSZE seien "verschoben" worden, sagte der selbsternannte Bürgermeister der Stadt im Osten der Ukraine, Wjatscheslaw Ponomarjow, der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch laut einer Vorausmitteilung. Ponomarjow warnte, die EU-Strafmaßnahmen könnten die Verhandlungen über die Freilassung der OSZE-Militärbeobachter erschweren. "Wir haben die Information bekommen, dass auch gegen Leute von uns Sanktionen verhängt wurden", sagte er und ergänzte: "Das ist eine Provokation, wenn gleichzeitig über Freilassungen verhandelt wird." Ponormarjow selbst ist nicht von den Sanktionen betroffen.

OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier ist am Dienstag in Kiew eingetroffen. Zannier wolle mit Außenminister Andrej Deschtschiza über die Lage der von pro-russischen Separatisten festgehaltenen Männer sprechen, teilte das Außenministerium in Kiew am Dienstag mit.

EU will Demokratie stärken

Die EU gibt weitere 365 Millionen Euro zur Unterstützung der Ukraine für demokratische Reformen. Der Betrag wurde am Dienstag von der EU-Kommission angekündigt. Das Programm sei an konkrete Bedingungen wie Reformen in der Korruptionsbekämpfung, öffentlichen Verwaltung, Verfassungs- und Justizreform und Wahlgesetze geknüpft.

Das Hilfspaket ist Teil von umfassenden elf Milliarden Euro schweren Hilfsmaßnahmen, die EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso im März für die Ukraine angekündigt hat. Eine erste Auszahlung in Höhe von 250 Millionen Euro werde es geben, sobald die EU-Kommission ein entsprechendes Finanzierungsabkommen mit der ukrainischen Regierung unterzeichnet.

Bürgermeister von Charkiw angeschossen

Am Montag hatte sich durch ein Attentat die Lage in der Ostukraine gefährlich zugespitzt: Gennadi Kernes, Bürgermeister von Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, wurde angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Er wurde in den Rücken getroffen, sein Zustand galt nach einer Notoperation als stabil. Kernes ist wegen seiner angeblichen früheren Kontakte zur organisierten Kriminalität ein umstrittener Politiker. Laut amtlicher Seite des Stadtrats wurde Kernes beim Radfahren angeschossen. Er wurde für die alte Partei der Regionen des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch 2010 zum Bürgermeister gewählt.

(APA)

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