Kriegsverbrechen: Japans Premier leugnet Sex-Sklaverei

Premier Abe weigert sich, für die einst von der kaiserlichen Armee organisierte Zwangsprostitution Abbitte zu leisten.

Tokio. Japans Regierungschef Shinzo Abe will sich „unter keinen Umständen“ für die sexuelle Sklaverei durch die kaiserliche Armee im Zweiten Weltkrieg entschuldigen – selbst, wenn der US-Kongress das verlangen sollte. Dass Japan rund 200.000 Frauen in Korea, China und anderen besetzten Gebieten zur Prostitution gezwungen habe, sei „nicht durch Fakten erwiesen“, so Abe trotzig am Montag vor einem Parlamentsausschuss in Tokio.

Was zuvor noch als „verharmlosende Äußerung“ des nationalkonservativen Abe durchgehen hätte können, hat sich zur Staatsaffäre entwickelt. Aus Peking, Seoul und Manila hagelt es Proteste, im US-Repräsentantenhaus wird eine Resolution debattiert, die Tokio zur Entschuldigung und Übernahme der historischen Verantwortung für das Schicksal von rund 200.000 Zwangsprostituierten auffordert.

Menschenrechtler und Politiker in aller Welt sind entrüstet über Tokios Verdrehung von Tatsachen. Historische Dokumente „beweisen, dass die Kaiserliche Japanische Armee während des Zweiten Weltkriegs 200.000 Frauen in die sexuelle Sklaverei getrieben hat“, betont der Demokratische Abgeordnete Mike Honda aus Kalifornien. Auch Zeitzeugen widersprechen dem Premier und seinen Gesinnungsgenossen – und zwar nicht nur die betroffenen Frauen.

„Ich höre noch heute Schreie“

So sagte der 87-jährige ehemalige Infanterist Yasuji Kaneko, er höre noch heute die Schreie unzähliger Frauen, die er als Soldat in China vergewaltigt habe. Es seien Frauen in Dörfern gewesen, über die man hergefallen sei, aber auch Teenager aus Korea, die in Militär-Puffs dienen mussten. „Sie weinten und flehten, aber wir haben uns null darum geschert, ob sie litten oder starben“, gestand der Greis. „Wir waren die Soldaten des Kaisers. In den Militärbordellen oder Dörfern haben wir ohne Bedenken vergewaltigt.“ Es gebe keine Zweifel, dass die Häuser von der Armee betrieben wurden.

Dennoch bleibt Premier Abe bei seiner Position, es sei nicht erwiesen, dass Japans Militär Frauen zu Sex-Sklaverei gezwungen habe. Zwar hatte Japans Kabinett 1993 durch den damaligen Regierungssprecher und heutigen Unterhauspräsidenten Yohei Kono die Verwendung von „Trostfrauen“ etwa aus China und Korea durch die kaiserliche Armee zugegeben und sich vage entschuldigt.

Auch Abes Vorgänger, Junichiro Koizumi, hatte vor sechs Jahren sein Bedauern ausgedrückt. Dennoch tut sich Japans Politik bis heute – wie in allen Fragen der Kriegsbewältigung – auch bei diesem dreckigen Stück Geschichte extrem schwer. So wird dementiert, dass die kaiserliche Regierung die Bordelle einrichten und sie militärisch straff führen ließ. Die betroffenen Frauen wurden verleumdet: „Vielleicht hat es ihnen ja Spaß gemacht“, war Krönung der Infamie.

Furcht vor Klagsflut

Als in den 90ern immer mehr dieser Frauen Japan verklagten, stellte sich Tokio auf stur und lehnte Forderungen nach Entschädigung ab. Reparationen seien schon an die jeweiligen Staaten gezahlt worden. Ein Einlenken, fürchteten die Konservativen im Reichstag, würde eine Flut privater Wiedergutmachungsklagen auslösen.

Seither versucht eine Gruppe konservativer Abgeordneter in der regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP), die Sünden der Vergangenheit in ein besseres Licht zu rücken. „Einige von uns betrachten es als sehr nützlich, diese Bordelle mit ,Cafeterias‘ zu vergleichen, die von Privaten betrieben wurden, ihre eigene Belegschaft anheuerten und ihre Preise festsetzten“, erklärte Nariaki Nakayama, Chef dieser rund 120 rechtsnationalen Politiker, die Tatsache der Massenprostitution.

Genau diese Klientel will Shinzo Abe offenbar bedienen, um seine angeschlagene Position in der LDP und als Premier zu stärken. Mit jenem konservativen Flügel im Rücken sieht er offenbar eine Chance, seinen Popularitätsverlusten entgegenzuwirken. Laut Umfragen hat er nur noch 37 Prozent der Japaner hinter sich; damit hat der einst populäre Premier innerhalb von kaum einem halben Jahr die Hälfte der Zustimmung verspielt.Obwohl heuer landesweit Kommunalwahlen und das wichtige Teilvotum fürs Oberhaus anstehen, will Abe den Absturz beim Wähler ignorieren. Statt dessen setzt er auf rechte Themen wie die Änderung der Friedensverfassung und eine nationalistische Erziehungspolitik. Da er die für die Grundgesetzrevision nötige Zweidrittelmehrheit im Reichstag wohl verfehlen wird, will er eine Volksbefragung erzwingen.

In Abes Umfeld gärt es

Mit dieser Fixierung auf Themen, die Abe für populär genug hält, um damit Wahlen zu gewinnen, vernachlässigt er drängende Reformen. Das wird sogar seinem Umfeld schon zu heiß: „Er ist nur noch so weit an den Geschicken des Staats beteiligt, als er damit die Schwäche seiner Position kaschieren kann“, klagen Mitarbeiter.

Inline Flex[Faktbox] ZUR PERSON. S. Abe("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2007)

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