„Zustände wie in einer Diktatur“

Radikale träumen von der großen Abrechnung mit der politischen Elite.

BUDAPEST (pbo.). L¡szl³ Toroczkai gilt derzeit als eine der meistbeobachteten Personen in Ungarn. Beim blutigen Sturm auf das Gebäude des ungarischen Staatsfernsehens (MTV) im vergangenen September standen Toroczkai und seine Mitstreiter an vorderster Front. Damals wurden hunderte Personen – zum Großteil Polizisten – verletzt; der Sachschaden belief sich auf rund eine Million Euro. Als einer der Drahtzieher des Sturms auf die TV-Zentrale wurde Toroczkai später zu einer Geldstrafe von zehn Millionen Forint (etwa 40.000 Euro) verurteilt.

Im Gespräch mit der „Presse“ klagt Toroczkai über den „grauenvollen Terror“, dem er und seine „Brüder“ seit damals ausgesetzt seien: „Wir werden von der Polizei rund um die Uhr beschattet. Außerdem müssen wir immer wieder Hausdurchsuchungen und Verhöre über uns ergehen lassen. In Ungarn herrschen derzeit Zustände wie in einer Diktatur.“

Toroczkai ist Führer von zwei Gruppen, die sich nicht nur den Sturz der linksliberalen Regierung von Ferenc Gyurcs¡ny, sondern die Vertreibung der gesamten politischen Elite auf die Fahnen geschrieben haben. Es schreie zum Himmel, dass noch immer frühere KP-Apparatschiks Machtpositionen besetzen würden. „Sie bereichern sich hemmungslos und lassen das Land ausbluten. Dabei hat die gesamte politische Elite assistiert. Deshalb müssen sie alle aus dem Weg geräumt und zur Verantwortung gezogen werden.“

Danach gefragt, wie er sich eine Abrechnung mit dem Establishment vorstelle, sagt Toroczkai, dass ihm eine Lösung wie nach dem niedergeschlagenen Volksaufstand 1956 vorschwebe: „Dies würde einerseits langjährige Gefängnisstrafen, andererseits den Galgen bedeuten“, sagt er. „Aber noch ist die Zeit nicht reif dafür.“

Um einen Umsturz im Land herbeizuführen, bedürfe es einer Menschenmasse, die von der Polizei nicht mehr aufgehalten werden könne. „Eine halbe Million Personen würden dafür reichen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2007)

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