„EU-Beitritt als Kompensation für Kosovo? Das ist unmöglich“

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Südosteuropa. Serbiens Präsident Boris Tadic warnt vor einem „eingefrorenen Konflikt“, sollte der Kosovo unabhängig werden.

WIEN.Die Gespräche sind festgefahren. Weder Kosovo-Albaner noch Serben scheinen im zentralen Punkt der Kosovo-Frage auch nur einen Millimeter nachgeben zu wollen: Pristina pocht auf die volle staatliche Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien. Belgrad ist bereit, alles andere zu akzeptieren als eben diese Unabhängigkeit. Und die internationalen Verhandler ringen um Exit-Strategien.

Eine – wenn auch offiziell nie auf den Verhandlungstisch gelegte – Idee: Ein Entgegenkommen der EU gegenüber Serbien könnte Belgrads Haltung in der Kosovo-Frage aufweichen. Serbiens Präsident Boris Tadic erteilt solchen Überlegungen eine klare Absage: „Ein Deal, dass wir Kosovo aufgeben und als Kompensation rascher der EU beitreten dürfen? Das ist völlig unmöglich“, meint Tadic im Gespräch mit Journalisten in Wien.

Das sei schon allein wegen der EU-Regeln für einen Beitritt nicht möglich. Und Serbien würde nie darauf eingehen. „Ich hoffe, dass niemand in der EU einen solchen Handel vorschlägt. Niemand in Serbien würde soetwas akzeptieren. Stellen Sie sich vor, Österreich hätte zwei Möglichkeiten gehabt: Der EU beizutreten, oder einen Teil seines Territoriums zu verlieren. Niemand in Österreich hätte sich darauf eingelassen.“

„Es darf keine Verlierer geben“

Die Gespräche über die Zukunft des Kosovo und über Serbiens Beitritt zur EU verlaufen für Tadic auf zwei völlig unterschiedlichen Schienen. Bezüglich Kosovo versuche Serbien einen Kompromiss zu finden, der für beide Seiten akzeptabel sei, behauptet Tadic. „Es darf am Ende keine Gewinner und Verlierer geben.“ Belgrad bietet den Albanern weitgehende Autonomie an. Kosovo soll auch eigenständigen Zugang zu internationalen Finanzinstitutionen erhalten. Ein Sitz des Kosovo im UN-Sicherheitsrat und die volle Souveränität für die Albaner-Provinz sind für Serbien aber völlig undenkbar.

Doch genau diese völlige Eigenstaatlichkeit fordern die Albaner. Sie haben zuletzt vorgeschlagen, über einen Freundschaftsvertrag zwischen den Staaten Kosovo und Serbien zu verhandeln. Tadic lehnt das aber klar ab: „Wir verhandeln derzeit über den künftigen Status des Kosovo – nicht über Dinge, die passieren sollen, nachdem dieser Status festgelegt worden ist.“ Die von einer Troika aus EU, USA und Russland geleiteten Verhandlungen sollen vorerst bis 10. Dezember geführt werden. Dann wird die Troika einen Bericht an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon abgeben. Beobachter gehen davon aus, dass die Kosovo-Albaner nach dem 10.Dezember ihre Unabhängigkeit ausrufen könnten, sollte bis dahin keine gemeinsame Lösung gefunden werden.

„Konsequenzen für Bosnien“

Tadic warnt vor so einem Szenario: „Wenn Kosovo unilateral die Unabhängigkeit erklärt und die USA und einige europäische Länder diese anerkennen, haben wir im Kosovo für die nächste Zukunft einen eingefrorenen Konflikt.“ Die Serben im Kosovo würden diese Unabhängigkeit niemals anerkennen. Und für die Albaner wäre es dann sehr schwer, ihre Autorität in jenen Territorien des Kosovo durchzusetzen, in denen die Serben heute die Mehrheit haben.

Tadic spricht zudem von anderen „negativen Konsequenzen“: „Wenn es möglich wird, Grenzen zu ändern, ohne dass es die betroffenen souveränen Länder erlauben, wäre es möglich, sich die Teilung von so vielen Staaten in der Welt vorzustellen.“ Wenn zwei Millionen Kosovo-Albaner die Unabhängigkeit erhalten, könne man eineinhalb Millionen Serben in Bosnien nur schwer davon überzeugen, dass sie nicht dasselbe Recht auf Abspaltung haben. Er wolle aber nicht die Teilung anderer Länder sehen und verteidige als serbischer Präsident die Integrität aller Staaten in der Region, inklusive der Bosniens.

„Ich werde mit Del Ponte reden“

Tadic hofft, dass sein Land in den kommenden fünf bis sieben Jahren der EU beitreten könne. Doch hier gibt es noch einige Hindernisse. Erst am Montag hatte die UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte Belgrad vorgeworfen, nach wie vor nicht voll mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu kooperieren. Die EU machte daraufhin klar, das Stabilisierungsabkommen mit Serbien weiterhin nicht zu unterzeichnen. Dazu Tadic: „Vor drei Wochen hat mir Carla Del Ponte in Belgrad gesagt, sie sei bereit, einen positiven Bericht abzugeben.“ Er werde sie in den nächsten Tagen anrufen und fragen, warum der Report nun negativ ausgefallen sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2007)

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