Burma: „Das ganze Land muss aufstehen“

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In Mae Sot, einem thailändischen Grenzdorf, lassen sich Flüchtlinge aus dem benachbarten Burma medizinisch betreuen. Sie sind entschlossen, die Junta zu stürzen.

MAE SOT. Unter dem Dach ist es drückend heiß. Ein sonnendurchfluteter Raum mit einem schmalen Tisch, einfachen Holzstühlen und Schlafmatten. Die vier Männer sind dabei, ihre dunkelroten Roben zurecht zu legen. Zwei von ihnen sind noch sehr jung. „Nachdem das Militär die Proteste niedergeschlagen hatte, wurden Razzien in den Klöstern durchgeführt, meistens sehr spät in der Nacht“, sagt einer der älteren Mönche. „Wir konnten entkommen und haben uns versteckt. Dann kamen wir hierher.“

Hierher – das ist Mae Sot, eine kleine Stadt an der Grenze. Burma ist nur knapp fünf Kilometer entfernt. Für die Mönche steht fest: Sie werden bald wieder zurückkehren. In Mae Sot wollen sie sich Rat und Unterstützung holen, sagen sie, ehe sie den friedlichen Kampf gegen die Junta erneut aufnehmen. Niedergeschlagen wirken sie, aber dennoch entschlossen: „Eine solche Kriegsstimmung gegen unsere Glaubensgemeinschaft haben wir noch nie erlebt“, führt einer der jüngeren Robenträger das Gespräch weiter. Das Regime habe Kriminellen, die in Gefängnissen saßen, Geld gegeben, um die Mönche anzugreifen.

Burma erlebte in diesem Spätsommer die größten Demonstrationen gegen das Militärregime seit zwanzig Jahren. Im August gingen mehrere hundert Menschen auf die Straße, um gegen die drastischen Preiserhöhungen von Benzin und Fahrtkosten zu demonstrieren. Dabei riskierten sie bereits ihr Leben. Denn auch die kleinsten Ansammlungen sind unter der Diktatur verboten. Aus den relativ überschaubaren Protesten wurde im September eine Massenbewegung, angeführt von den im ganzen Land verehrten Mönchen.

Tage später schlugen die Militärs zurück – mit brutaler Gewalt. Bald herrschte wieder Friedhofsruhe. Im jüngsten Bericht des UN-Menschenrechtsexperten Paulo Pinheiro ist von mindestens 31 Toten die Rede. Zudem seien im September und Oktober bis zu 4000 Menschen verhaftet worden. 500 bis 1000 befänden sich immer noch in Haft, so Pinheiro in seinem Bericht, der am Dienstag dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt wird.

Flüchtlinge und Patienten

Seit Jahrzehnten leben die Burmesen unter Druck. Etliche hunderttausend Angehörige ethnischer Minderheiten hat die Armee aus ihren Dörfern vertrieben. Die Militärs rauben, morden und brandschatzen. Malaria, Durchfallerkrankungen und HIV/AIDS grassieren. Hilfe für Verwundete und Kranke gibt es kaum – Burmas Gesundheitssystem gilt als eines der schlechtesten weltweit. Während das Volk verelendet, investiert die Militärregierung lieber in Luxusgüter und Waffen.

Hilfe bekommen viele jenseits der Grenze – in einem Hospital ein wenig außerhalb von Mae Sot. Es ist früher Morgen. Schon jetzt stehen die Menschen Schlange vor den flachen, langgezogenen Gebäuden der Mae Tao Klinik. Medizinische Behandlung und Verpflegung sind frei. Die politische Lage in Burma habe direkten Einfluss auf die Arbeit, sagt Klinikgründerin Dr. Cynthia Maung (48).

Die Zahl der Hilfesuchenden wachse stetig. Angefangen hat die aus Spenden finanzierte Klinik 1989 mit rund 1800 Patienten. 2005 waren es bereits 49.000, und im vergangenen Jahr mehr als 100.000. Cynthia Maung, Angehörige der Karen-Minderheit, floh einst selbst aus Burma – nach den Massendemonstrationen gegen die Junta in 1988, welche die Militärs ebenfalls blutig niedergeschlagen hatten.

In die Mae-Tao-Klinik kommen nicht nur Flüchtlinge, sondern auch diejenigen, die in Burma auf keine medizinische Hilfe hoffen können. So wie ein 70-jähriger Mann, der aus Angst seinen Namen nicht nennen möchte. Seine Augen mussten dringend operiert werden. Zu Hause hätte er dafür unerschwingliche 300.000 Kyat hinlegen müssen, erzählt er – umgerechnet 230 US-Dollar. „Manchmal möchte ich nicht mehr in Burma leben“, sagt der Alte verbittert. „Das Geld, das ein Mann an einem Tag verdient, reicht nicht aus, um ihn zu ernähren.“

Neue Protestwelle geplant

Nach 45 Jahren Militärdiktatur hat die Bevölkerung die Nase voll. Sie will endlich Freiheit und Demokratie. Die Hoffnungen ruhen dabei aber nicht auf der UNO, sondern auf Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, auch wenn sie weiter unter Hausarrest steht.

Trotz Unterdrückung und Angst werden die Menschen nicht mehr stillhalten. Dessen ist sich Aung Zaw, Chef der in Nordthailand herausgegeben Dissidentenzeitschrift „Irrawaddy“, sicher. „Das Wort Kompromiss kommt im Vokabular der Militärs nicht vor“, sagt er. Informanten haben ihm zugetragen, dass es wahrscheinlich in den kommenden Monaten zu neuen Protesten kommen wird.

All das deckt sich mit dem, was die kurz zuvor in Mae Sot eingetroffenen Mönche bereitwillig erzählen: „Das ganze Land muss aufstehen“, sagt einer der älteren. „Wir denken dabei an eine friedliche Guerillabewegung, aber auch an offenen Protest“, fügt ein junger Glaubensbruder hinzu.

DER AUFSTAND

Im Spätsommer dieses Jahres begannen in Burma Demonstrationen gegen die Militärjunta. Auslöser waren Preiserhöhungen. An Fahrt gewannen die Proteste, als sich im September die Mönche an die Spitze des Protests stellten.

Das Militärregime schlug den Widerstand schließlich blutig nieder. Ein UNO-Bericht spricht von 31 Toten. Tausende Oppositionelle wurden festgenommen, darunter auch Dutzende Mönche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2007)

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