Die Entzauberung des Mahmoud Ahmadinejad

EPA (Hasan Sarba)
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Je mehr der Atomstreit abebbt und je üppiger die Öleinnahmen sprudeln, desto deutlicher wird das Versagen von Präsident Ahmadinejad. Die Inflation explodiert, die Wirtschaft stagniert, die Kritik wächst. Es drohen Unruhen.

TEHERAN/ISTANBUL. Das Leben des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad ist nicht leichter geworden, seit die US-Geheimdienste dem Mullah-Regime im Dezember bescheinigten, ihr militärisches Atomprogramm 2003 gestoppt zu haben. Der Atomstreit mit dem Westen kann nun nicht mehr die wirtschaftlichen Probleme überdecken, in die der Petro-Populist sein Land trotz dramatisch steigender Öleinnahmen geführt hat.

Zum Präsident wurde Ahmadinejad nämlich 2005 nur aufgrund eines sozialen Versprechens: Er wolle den vielen armen Iranern die Erdöleinnahmen „nach Hause bringen“ und ihnen so das Leben leichter machen. Doch fällt ihm das zusehends schwer: Die Wirtschaft stöhnt immer lauter, die Inflation steigt kräftig, ebenso die Preise von Alltagswaren – und das Leben der vielen armen Iraner ist heute schwieriger als 2005.

Subventionen, günstige Kredite

Dabei bezweifelt niemand Ahmadinejads gute Absicht. Der von seiner Regierung jüngst vorgelegte Haushaltsentwurf fürs neue iranische Jahr, das Montag begann, beweist jene Absicht. Da finden sich erhöhte Subventionen für Bedarfsgüter, viele Wohnbauprojekte in der Provinz, vergünstigte Kredite für den Bau von Eigenheimen, höhere Gehälter für Beamte und die Möglichkeit einer frühzeitigen Pensionierung. Und so steigen die Staatsausgaben heuer um 19%, oder rund 200 Milliarden Euro, an.Die konservative Mehrheit im Parlament, geführt vom Parlamentssprecher und Philosoph Gholam Ali Hadad Adel, will das Budget rasch verabschieden. Im März wird gewählt, da sollen die Iraner sehen, was die Religiösen Gutes tun.

Ob diese Art der Verteilung des Dollarsegens aus den Öleinnahmen (2007 geschätzte 41 Mrd. €) die Iraner reicher oder ärmer macht, ist indes nicht so sicher: So ist laut der Forschungsstelle des Parlaments die Inflationsrate seit Ahmadinejads Amtsantritt von zwölf auf 22 % gestiegen. Teurer sind vor allem nicht subventionierte Güter und Mieten. Letzteres liegt unter anderem an dirigistischen Eingriffen Ahmadinejads in den Zementmarkt, um die Zementpreise tief zu halten. Wegen des Bevölkerungswachstums muss der Iran ständig ein großes Volumen an Wohnraum nachbauen.

Zur Inflation tragen auch die billigen Kredite bei: Die Zinsen mussten von 17 auf 12 Prozent gesenkt werden. Da sie nun unter der Inflationsrate liegen, sind die Banken aber zögerlich bei der Kreditvergabe.

Der Chef der Zentralbank, Tahmasb Mazaheri, hat ein Zurückrudern bei der Niedrigzinspolitik angedeutet. Zinsen und Inflation seien „die Flügel eines Vogels“. Am 5. März will er die neue Kreditlinie verkünden. Ein radikaler Wechsel ist aber aus politischen Gründen unwahrscheinlich. Damit aber, so der iranische Ökonom Jahangir Amuzegar, droht schon bald eine Stagflation – und Unruhen.

Rüffel vom Religionsführer

Als Kritiker von Ahmadinejads Wirtschafts- und Außenpolitik tritt einmal mehr Akbar Hashemi Rafsanjani auf. Der Ex-Präsident war Ahmadinejad bei der Präsidentenwahl 2005 unterlegen. Er kritisierte jüngst die Wirtschaftspolitik und die zunehmende Radikalisierung im Land – das hätte den Iran schon früher in Situationen gebracht, die „der Gesellschaft teuer zu stehen“ gekommen wären. Der allmächtige religiöse Führer Ali Khamenei hat Rafsanjani zum Chef des wichtigen „Rates für das Nützliche“ ernannt.

Nicht genug, seit einiger Zeit werden auch Proteste der Studenten wieder lauter. Sogar den Unmut des religiösen Oberhauptes hat Ahmadinejad auf sich gezogen: Ayatollah Ali Khamenei bemängelte jüngst „gewisse Schwächen“ der Wirtschaftspolitik der Regierung. Dass da noch Khatami und der frühere Nuklear-Chefverhandler Ali Larijani ihrem Präsidenten vorwerfen, das Tauziehen mit dem Westen im Atomstreit „vergeigt“ zu haben, scheint da nur noch Nebensache.

Atomstreit: Treffen in Berlin

Da Ahmadinejad also nun im Saft seiner hausgemachten Probleme schmort, plädierten westliche Diplomaten vor dem heutigen Treffen der Außenminister der ständigen Sicherheitsratsmitglieder sowie Deutschlands in Berlin, die Sanktionen gegen den Iran im Atomstreit nicht allzu stark zu verschärfen. China und Russland wollen den Iran ohnedies schützen. Doch auch Westmächte könnten kaum Interesse daran haben, externe Angriffs- und Profilierungsflächen für Ahmadinejad zu schaffen, die dieser nutzen kann, um von der miserablen Wirtschaftslage abzulenken.

HINTERGRUND. Geldflut schürt Inflation

Seit seinem Amtsantritt 2005 ließ Präsident Ahmadinejad die Staatsausgaben tüchtig steigen, zuletzt um 19% oder gut 200 Milliarden Euro. Damit werden vor allem Sozialprojekte finanziert, etwa Subventionen und der Wohnbau. Auch mussten die Banken die Kreditzinsen per Dekret senken, weshalb die in Umlauf befindliche Geldmenge enorm anwuchs.

Entsprechend kletterte die Inflation von etwa zwölf auf zuletzt 22 Prozent, was das Leben der einfachen Leute trotz Preisbindungen bei manchen Grundprodukten schwerer macht. Auch die explodierenden Mieten stehen in keinem Verhältnis mehr zu den Löhnen. Immobilienpreise erreichen unleistbare Höhen, da Geldbesitzer in Immobilien fliehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2008)

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