EU schaut durch die russische Röhre

AP (SRDJAN ILIC)
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Wettlauf um Pipeline-Projekte. Russland gewinnt mit Hilfe Gazproms in Südosteuropa weiter an Terrain. Brüssel und Minister Bartenstein sehen die Situation noch „entspannt“.

WIEN. Es wird ein großer Tag für die „serbisch-russische Freundschaft“. Belgrad bietet deshalb Premier und Präsidenten auf, wenn am Freitag in Moskau ein umfassender Vertrag über eine strategische Energie-Partnerschaft zwischen beiden Ländern unterzeichnet wird. Der Deal sichert dem russischen Energiekonzern Gazprom die Mehrheitsbeteiligung am staatlichen serbischen Erdölkonzern NIS. Zudem wird vereinbart, dass ein Arm des russischen Gaspipeline-Projekts „South Stream“ durch Serbien führen soll.

Durch den Vertrag mit Belgrad gewinnt Russlands staatlicher Energiesektor in Südosteuropa weiter an Terrain. Erst vor wenigen Tagen wurde in Sofia ein Abkommen über eine Beteiligung Bulgariens an „South Stream“ geschlossen. Experten warnen nun davor, dass Moskau mit diesen Vorstößen das Streben der EU nach mehr Unabhängigkeit auf dem Energiesektor gezielt hintertreibe.

„Das ist schockierend“

„Russland kämpft dafür, seine starke Position auf dem Gasmarkt zu bewahren. Es will verhindern, dass die Europäer hier einen eigenen Weg einschlagen können“, sagt der Direktor des Instituts für Strategische Studien in Laibach, Borut Grgič, zur „Presse“. Um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu minimieren, unterstützt die EU-Kommission das von der österreichischen OMV betriebene „Nabucco“-Pipelineprojekt. Über „Nabucco“ soll vom Kaspischen Meer Gas an Russland vorbei nach Mitteleuropa transportiert werden. Der Startschuss für den Bau des Pipeline-Systems lässt aber nach wie vor auf sich warten.

„Nabucco wäre für die Russen natürlich eine Konkurrenz“, meint Grgič. Dadurch würde sich nicht nur Russlands Stellung auf dem europäischen Gasmarkt verändern, sondern auch sein Einfluss in Zentralasien, das dann beim Gasexport nicht mehr von Moskau abhängig sei. Von der EU erwartet sich der slowenische Analytiker, dass sie sich mehr als bisher um eine gemeinsame Energiepolitik bemühe. „Die EU-Staaten müssen Nabucco stärker vorantreiben.“ Dass sich Bulgarien als EU-Mitglied nun an „South Stream“ beteilige, sei „schockierend“.

In Brüssel versucht man zu beruhigen: „Unser Vorschlag zur Gasversorgung für Europa heißt Nabucco, aber wir sind deshalb nicht gegen South Stream“, meint der Sprecher des EU-Energiekommissars Ferran Tarradellas Espuny zur „Presse“. Dass durch South Stream mehr Gas aus Russland nach Europa fließe, stelle jedenfalls kein Problem für den Wunsch der EU dar, auf dem Energiesektor mehr Autarkie zu erlangen. „Wir würden es als vielmehr Problem sehen, wenn weniger Gas aus Russland kommt.“

Auch Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sieht die jüngsten russischen Deals mit Bulgarien und Serbien „völlig entspannt“. „Nabucco und South-Stream sind komplementäre und keine alternativen Projekte“, so Bartenstein zur „Presse“. Bis 2020 werde der jährliche Mehrbedarf an Gas in der EU etwa 200 bis 300 Milliarden Kubikmeter ausmachen. Deshalb sei es wichtig, in Zukunft auf möglichst viele Projekte zurückgreifen zu können.

Auf die Frage, ob sich auch Österreich eine Beteiligung am russischen „South-Stream“-Projekt vorstellen könne, meint Bartenstein: „Beim Staatsbesuch von Präsident Putin im Mai hat die russische Seite eine Einladung an Österreich ausgesprochen. Und von der OMV ist eine prinzipiell positive Reaktion gekommen.“ Bartenstein spricht sogar von der Möglichkeit einer „Verschneidung“ von „Nabucco“ und „South Stream“. „Die Töne von Gazprom bezüglich Nabucco sind zuletzt positiver geworden.“

„Serbien verliert durch Deal“

Neben der Gazprom hatte sich auch die OMV für den serbischen Erdölkonzern NIS interessiert. Dass nun die Russen den Zuschlag erhielten, kommentiert Bartenstein so: „Die Partnerschaft zwischen Russland und Serbien gibt es nicht erst seit gestern. Es ist naheliegend, dass sich gerade in der Phase, in der eine Entscheidung zu Kosovo fallen soll, diese Bande auch wirtschaftlich auswirken.“

Moskau unterstützt Belgrads Forderung, dass der Kosovo Teil Serbiens bleibt. Der Großteil der EU-Staaten steht aber hinter den Kosovo-Albanern, die in den kommenden Monaten die Unabhängigkeit erklären wollen. Serbiens Premier Vojislav Koštunica hat bereits mehrmals damit gedroht, dass sich Belgrad von der EU ab- und Moskau stärker zuwenden werde, sollte Brüssel die Abspaltung des Kosovo absegnen.

Die Hilfe Russlands hat für Serbien aber auch ihren Preis. „Serbien verliert durch den Energie-Deal mit Moskau. Gazprom hat die Beteiligung an NIS weit unter dem Wert gekauft“, sagt Grgič. Und der Energie-Deal sei natürlich auch nicht im Interesse der Europäer. „Ich würde mir erwarten, dass das jemand aus den europäischen Staaten der serbischen Regierung klar macht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2008)

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