Nach Hessen-Wahl: Pokerface Koch spielt um die Macht

AP (Knippertz)
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Hessens CDU-Chef Roland Koch beharrt trotz der schweren Verluste bei der Wahl auf dem Amt des Ministerpräsidenten.

BERLIN. Der Orkan der Wahlnacht hat Roland Koch nicht geknickt. Wie eine Eiche steht er auf dem Podium der CDU-Parteizentrale neben Angela Merkel, er wankt nicht und zeigt – ganz Polit-Profi – kaum ein Zeichen von Schwäche. Mit fester Stimme und bisweilen mit feiner Ironie steht der Wahlverlierer zu seinen Überzeugungen und macht klar, dass er vorerst nicht gedenkt, seinen Platz als Ministerpräsident und hessischer CDU-Vorsitzender zu räumen.

Da mag ihm SPD-Chef Kurt Beck ausrichten, an seiner Stelle würde er den Rückzug antreten, um den Weg frei zu machen für eine Regierungsbildung in Wiesbaden. Da mag das Berliner Regierungsviertel noch so erfüllt sein vom Raunen über seine politische Zukunft, von Spekulationen über einen Wechsel auf die Regierungsbank in die Hauptstadt, von den Ratschlägen der Parteifreunde. Roland Koch hat seinen Macchiavelli studiert – nicht umsonst hat ihn Helmut Kohl einst zum möglichen Thronfolger auserkoren.

Der „Koch als Kellner“

Bis zuletzt hatte er gekämpft. Noch am Samstagabend zog er aus, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Er steckte Kochlöffel und Werbebroschüren in die Briefkästen – und am Ende hat sich sein Einsatz ausgezahlt. Kurz vor Mitternacht, um 23.20 Uhr hatte sich am Sonntag das Blatt gewendet. Im Wahlkreis Frankfurt-Bornheim waren die letzten Stimmen ausgezählt, und auf einmal hatte Koch doch die Nase vorne. Was nicht ganz ohne Ironie ist. Denn seine Gegner hatten ihn im Wahlkampf als Pinocchio karikiert.

Nach den ersten Hochrechnungen skandierten sie im Überschwang: „Koch ist weg.“ Jürgen Trittin, der frühere grüne Umweltminister, höhnte: „Der Koch wird zum Kellner.“ Seine SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti durfte sich ein paar Stunden lang als Bezwingern des „Eisernen Roland“ feiern lassen.

Doch der Vorsprung schmolz von Hochrechnung zu Hochrechnung und Koch ging mit der Gewissheit ins Bett, dass er gerade noch einmal davongekommen ist – wenngleich der Preis dafür womöglich sehr hoch sein wird.

Am Tag nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen tagen in Berlin traditionell die Parteigremien, und es tobt die Schlacht um die Deutungshoheit – auch schon im Hinblick auf die Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Der Polit-Poker um die Macht hat eingesetzt: Die Koalitionskarten werden gemischt. Mehrheit sei nun eben einmal Mehrheit, sagt Koch und setzt sein Pokerface auf. Die Kanzlerin ist wieder einmal die Gelassenheit in Person, und sollten sie die Wahlergebnisse in irgendeiner Weise verunsichert haben, so lässt sie sich nichts anmerken.

Ganz anders agiert SPD-Chef Kurt Beck. Er baut mächtig Druck auf gegen Koch und vor allem gegen die FDP. Die hessischen Liberalen weigern sich standhaft, auch nur die Überlegung zu erwägen, in eine Ampelkoalition einzutreten. FDP-Chef Guido Westerwelle hat die Losung ausgegeben, sich nicht als „nützliche Idioten“ für SPD und Grüne herzugeben. Der FDP-Chef strebt eine bürgerliche Mehrheit auf Bundesebene an, und die Wahl in Niedersachsen dient ihm dafür als leuchtendes Beispiel, dass dies nicht realitätsfern ist. Er will sich der Union und seiner Duz-Freundin Merkel als unverbrüchlicher Partner empfehlen.

Im Gegenzug steigt nun auch der Druck auf die Grünen, über ihren Schatten zu springen und ein Bündnis mit CDU und FDP einzugehen. Es ist das übliche Geplänkel, das am Ende Rückschlüsse geben könnte für eine zukünftige Regierungskonstellation in Berlin.

Vorerst haben sich die Parteien in Hessen fest eingebunkert, und auch in Berlin sind die Schützengräben schon ausgehoben. In Hessen hat der emotional aufgeladene Lagerwahlkampf die politische Atmosphäre so vergiftet, dass der grüne Parteichef Tarek al-Wazir sich weigert, Koch auch nur die Hand zu reichen. Der Sohn eines jemenitischen Diplomaten und einer deutschen Lehrerin wirft Koch vor, ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren.

„Das werden komplizierte Tage“

Zwischen CDU und SPD ist das Gesprächsklima ohnehin empfindlich getrübt. Und selbst zwischen Ypsilanti und FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, einem langjährigen Koch-Freund, ist die Chemie gestört. Obwohl sie um seine Unterstützung buhlt, kam es zu keinem Gespräch der beiden, als sie am Montagmorgen nach Berlin flogen. Was Koch später orakelte, war eine gelinde Untertreibung: „Wir werden jetzt komplizierte Tage erleben.“ Leitartikel Seite 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2008)

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