Erdogan: „Fair zu Iran sein“

Türken-Premier verstört bei Auftritt in München.

Die demokratische Kongressab-geordnete Jane Harman aus Kalifornien machte aus ihrer Enttäuschung kein Hehl: „Das war eine verpasste Gelegenheit“, kommentierte sie die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Immerhin war er der Eröffnungsredner gewesen.

Doch nicht das, was er über die geostrategische Lage der Türkei und ihren Kampf gegen den PKK-Terrorismus berichtete, sorgte für Aufmerksamkeit: Vielmehr verstörten seine Aussagen zum Genozid an den Armeniern 1915 und zum Iran von heute viele Teilnehmer: Einen Genozid könne es 1915 schon darum nicht gegeben haben, weil dieser Begriff im Türkischen gar nicht existiere. Die Sichtung von über einer Million Dokumenten in türkischen Archiven habe keinerlei Hinweise auf den behaupteten Völkermord erbracht. Wenn andere Länder entsprechende Dokumente hätten, sei die Türkei bereit, über diese Unterlagen zu diskutieren.

Amerikanische und europäische Konferenzteilnehmer erstaunte auch Erdogans Verteidigungsrede für Irans Regime und seine umstrittene Atompolitik. Ja, der Iran müsse da transparenter werden, „aber wenn das Nuklearprogramm friedlicher Natur ist, kann es keine Einwände dagegen geben“. Doch wenn das Atomprogramm ausschließlich friedlichen Charakter hat, warum arbeitet Iran dann an atomwaffenfähigen Raketen? „Auch andere Länder entwickeln Raketen“, erklärte Erdogan: „Wir sollten zum Iran fair sein und nicht immer mit dem Finger auf Teheran zeigen. Die Lage im Iran ist nicht so, wie sie international immer dargestellt wird. Wir sollten mit unseren Urteilen vorsichtiger sein.“

Brandrede Liebermans

Einem bekannten US-Falken wie dem unabhängigen Senator Joseph Lieberman gefiel das gar nicht. Er hielt in München nicht seine erste Brandrede gegen das iranische Atomprogramm und warnte: „Wenn es Iran entgegen all unseren Bemühungen gelingt, an Atomwaffen zu kommen, würde das irreparablen Schaden für das globale System der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen bedeuten.“

Lieberman nahm auch die Staaten aufs Korn, die gegenwärtige Sanktionen gegen den Iran unterlaufen würden, „um gute Geschäfte auf Kosten der restlichen Welt zu machen“. Ein solches Verhalten – konkret führte er nur die Volksrepublik China an – „erhöht nur die Möglichkeit einer künftigen militärischen Konfrontation“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2008)

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