Busek: „Auf dem Balkan ist Österreich eine Großmacht“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Interview. Erhard Busek fordert, dass alle Balkan-Staaten rasch EU-Kandidatenstatus erhalten.

Die Presse: Ende Februar ist der Stabilitätspakt für Südosteuropa ausgelaufen. Welches Resümee ziehen Sie als ehemaliger Koordinator?

Erhard Busek: Der Stabilitätspakt ist eine erste Erfahrung der Europäischen Union im Krisenmanagement gewesen, das über das Militärische hinausging. Die positivsten Ergebnisse haben wir im Bereich Wirtschaft erzielt. Es ist uns gelungen, ein Freihandelsabkommen in der Region zu schließen, eine Energiegemeinschaft aufzubauen, Infrastrukturinvestitionen durch die internationalen Finanzinstitutionen zu organisieren.

Und wo gibt es Mängel?

Busek: Die Kriminalitätsbekämpfung ist auf gutem Weg. Hier sage ich aber kritisch, dass die Kooperation der Innenminister in den Mitgliedstaaten und die von Europol besser sein könnte. Auch die Innenminister in Südosteuropa glauben, die Welt endet an der Grenze ihres Landes. Ein Mangel ist, dass der Stabilitätspakt nicht zuständig gewesen ist für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Und leider wurde auch deutlich, dass wir keine Instrumente haben, um etwas für das Gesundheits- und Sozialsystem zu tun.

Zuletzt bremste die EU bei der Aufnahme der Balkan-Staaten. Könnte sich das wieder ändern?

Busek: Man muss die Ratifizierung des Lissabon-Reformvertrages abwarten. Momentan sind alle EU-Regierungen wegen der Frage blockiert. Man sollte aber sehr rasch allen Balkan-Staaten den Kandidatenstatus geben – aus einem einfachen Grund: um sie mit der Erfüllung der Bedingungen zu beschäftigen. Damit würden sie nicht auf andere, weniger sinnvolle Ideen kommen. Alle Länder Südosteuropas wären dann klar auf dem Weg in die EU. Das eine wird nur etwas länger und das andere weniger lang brauchen, bis es dort ankommt. Es gibt auch keine andere Alternative, als alle diese Staaten in die Union aufzunehmen.

Gerade in der österreichischen Bevölkerung ist man aber in dieser Frage sehr skeptisch.

Busek: In Österreichs Öffentlichkeit ist man sich zu wenig im Klaren, dass wir nicht nur wirtschaftlich hervorragend in Südosteuropa verdient haben, sondern dass die Österreicher auch in dieser Region sehr geschätzt werden – was leider für die Menschen auf dem Balkan bei uns nicht immer der Fall ist. Man zerbricht sich in Österreich den Kopf darüber, ob kleine Staaten in der EU etwas bewirken können. Aber auf dem Balkan ist Österreich eine Großmacht.

Die Unabhängigkeit des Kosovo hat zu einer erbosten Reaktion Serbiens geführt. Befürchten Sie deshalb längerfristige Probleme?

Busek: Den Serben fehlt der Reality Check. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Kosovo verloren ist. Zu glauben, dass sich die Dinge in Serbien rasch ändern, ist aber ein Irrtum. Wenn man 600 Jahre lang die Schlacht auf dem Amselfeld im Gedächtnis behält, behält man auch die jetzige Situation länger im Gedächtnis. Es ist notwendig, nicht laut, aber beharrlich in Serbien klarzumachen, dass die Zukunft nur in einer Kooperation mit der EU liegt. Längerfristig halte ich aber das Problem Bosnien-Herzegowina für schwerer lösbar.

Warum?

Busek: Weil die Teile Bosniens – die Föderation und die Republika Srpska – noch immer nicht zusammengefunden haben. Zwar sind die Nato und der „Hohe Repräsentant“ Garanten dafür, dass die Landesteile formal beisammen bleiben. Aber sie müssen von innen her zusammenwachsen.

Kosovos Politiker haben der Bevölkerung alles Mögliche für den Fall der Unabhängigkeit versprochen. Droht jetzt Ernüchterung?

Busek: Entscheidend ist, dass Kosovos Regierung Hilfe bei der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation erhält. Auch im Erziehungswesen muss mehr passieren. Wenn die EU-Kommission das nicht kann, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten besonders engagieren.

Der Stabilitätspakt ist ausgelaufen. Wie sehen Ihre künftigen Pläne aus?

Busek: Ich bin weiter verantwortlich für den Danube Cooperation Process und bleibe Koordinator der Southeast Europe Cooperation Initiative. Und dann ist mir etwas sehr Ehrendes passiert: Die tschechische Regierung hat mich gefragt, ob ich sie in der Zeit ihres EU-Vorsitzes in Balkan-Angelegenheiten beraten werde – was ich herzlich gerne tue.

WISSEN

Der Stabilitätspakt für Südosteuropa wurde 1999 ins Leben gerufen. Ziel war, die Region nach den Kriegen in Ex-Jugoslawien auf die Beine zu bringen. Seit 2002 war Erhard Busek Stabilitätspakt-Koordinator. Ende Februar wurde der Stabilitätspakt durch einen „Regionalen Kooperationsrat“ der Balkanländer ersetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2008)

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