Wähler lichteten Parteien-Dschungel

Italien auf dem Weg zu einem Zweiparteiensystem. Für Veltroni, Hoffnung der Linken, kam die Wahl zu früh. Berlusconi kann nun unangreifbar regieren.

Was für ein Ergebnis! Mit kaum messbaren 0,25 Punkten Vorsprung hat Romano Prodi vor zwei Jahren die italienischen Parlamentswahlen gewonnen; mit mehr als neun Punkten Abstand holt sich nun Silvio Berlusconi die Macht zurück. Mit „20 bis 30 Senatoren Vorsprung“ rechnete er – 41 hat er bekommen. Wo Prodi sich zwei Jahre lang mit einem Sitz Mehrheit über die Runden retten musste, regiert Berlusconi unangreifbar.

Die Wähler haben den landestypischen Parteien-Dschungel in einer Radikalität gelichtet, wie die Politiker es nie zuwege gebracht haben. Statt der etwa 25 Gruppen und Grüppchen, die sich bisher im Parlament hielten, sind dort künftig nur vier oder sechs Parteien vertreten. Genauer betrachtet, befindet sich Italien auf dem Weg zu einem Zweiparteiensystem: Auf der einen Seite Berlusconis „Volk der Freiheit“, auf der anderen Walter Veltronis „Demokratische Partei“. Um sie kreist jeweils, von verdoppelter Wählergunst gestärkt, ein Satellit: die rechtspopulistische Lega Nord um Berlusconi, das „Italien der Werte“ des früheren Mailänder Star-Staatsanwalts Antonio Di Pietro um Veltroni. Der verbleibende, kleine Rest des Parlaments ist belanglos.

Radikale blitzen ab

Dies umso mehr, als sich die Italiener nicht mehr von Radikalen vertreten lassen wollen: Die Ultralinken, die Sozialisten und die Kommunisten, sind erstmals seit 1945 aus dem Parlament geflogen, die Grünen mit ihnen. Mit dem parlamentarischen Verschwinden der Kommunisten geht eine Epoche zu Ende. Und auch die Rechtsextremen erlitten eine unmissverständliche Niederlage. Bis auf die wenigen Symbolfiguren, die Berlusconi in seine Partei aufgenommen hat, zieht kein Alt-, Neo- oder Postfaschist ins Parlament ein.

Den Umbau des Parteiensystems hat Veltroni angestoßen: Er war der erste, der ohne Kometenschwarm von Splitterparteien zur Wahl antrat; Berlusconi hat nachgezogen, und die Wähler haben das Werk vollendet. Aber warum hat Veltroni, der Hoffnungskandidat einer Linken, die nicht mehr links sein will, von seiner Revolution nicht profitiert? Doch: Er hat profitiert, aber gegenüber Berlusconi zu wenig, um regieren zu können. Es ist Veltroni gelungen, den Stimmenanteil seiner „Demokratischen Partei“ gegenüber 2006 um zwei Punkte im Abgeordnetenhaus und um mehr als fünf Punkte im Senat zu steigern. Die überraschend plötzlichen Parlamentswahlen kamen dann für Veltroni entschieden zu früh. Es hätte Zeit gebraucht, um die Identität einer solchen Partei zu klären.

Stabile Mehrheit als Fortschritt

Egal, was das Ausland über Berlusconis Eskapaden, sein putin'sches Machtverständnis und seine Anschläge auf die Demokratie denkt: Bei Berlusconi weiß man in Italien, was man hat. Immerhin haben ihm die Wähler eine stabile Mehrheit geschenkt; das ist für Italien, gerade nach dem Experiment Prodi, schon ein Fortschritt. Es hängt jetzt von Berlusconi ab, ob er aus dem gewachsenen Wählervertrauen den Auftrag „Weiter so wie immer!“ herausliest. Das wäre die schlimmste Interpretation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2008)

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