Milososki : „Griechen negieren unsere Identität“

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Der mazedonische Außenminister Antonio Milososki bezweifelt, dass Athen im Namensstreit mit seinem Land tatsächlich an einem Kompromiss interessiert ist.

Die Presse: Wegen des ungelösten Namensstreits mit Griechenland hat Mazedonien keine Einladung für einen Nato-Beitritt erhalten. Was bedeutet das für Ihr Land?

Antonio Milososki: Das war für die kleine mazedonische Nation eine große Enttäuschung. Wir haben das als sehr unverantwortlich und unfair erlebt. Fast 90 Prozent der Mazedonier unterstützen die Mitgliedschaft unseres Landes in der Nato. Und wir haben in den vergangenen Jahren auch alles getan, um unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Aber leider hat der unverantwortliche Schritt Griechenlands nicht nur Mazedonien geschadet, sondern auch der Glaubwürdigkeit der Nato.

Welche Konsequenzen zieht Mazedonien daraus?

Milososki: Es gibt im Leben immer Enttäuschungen. Das wird uns aber nicht daran hindern, dass wir weiter an der euro-atlantischen Integration unseres Landes arbeiten. Wir sind zuversichtlich, weiter ein Stabilitätsfaktor in Südosteuropa sein zu können. Das ist auch wichtig für Europa.

Wir sind nicht perfekt, aber Mazedonien hat gezeigt, dass es einer multiethnischen Gesellschaft möglich ist, eine funktionierende Demokratie aufzubauen. Deshalb bedeutet ein Erfolg Mazedoniens eine Niederlage für die extremistischen Ideen auf dem Balkan. Natürlich hätten wir es mit einer Nato-Einladung leichter. Man darf nach wie vor nicht die Risken in der Region unterschätzen. Mazedonien ist nicht Nachbar von Schweden und Norwegen, sondern von Kosovo und Serbien.

Die Nato verlangt von Mazedonien, im Namensstreit einen Kompromiss mit Griechenland zu finden. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Milososki: Eine Einigung wäre leichter, wenn Griechenland unser Recht auf Selbstbestimmung akzeptieren würde; wenn es akzeptieren würde, dass wir Mazedonier sind und Mazedonisch sprechen; wenn es sich nicht mehr dagegen querlegen würde, dass wir etwa in UNO-Formularen bei Sprache und Nationalität als Selbstbezeichnung Mazedonisch angeben. Dann wäre es auch einfacher, sich auf einen Namen zu einigen.

Aber die Frage ist, ob Griechenland wirklich Kompromisse schließen will, oder ob etwas anderes hinter dem Namensstreit steckt. Griechenland geht es gar nicht um den Namen Mazedoniens. Es benutzt diesen Streit als Vorwand, um Mazedoniens nationale und sprachliche Identität, ja unsere Selbstbestimmung zu negieren.

Warum sollte Griechenland das tun?

Milososki: Es geht um einen Mythos. Griechenland ist das einzige EU-Land, das keine Minderheiten anerkennt. In Griechenland herrscht der Mythos einer reinen Nation. Aber es gibt Minderheiten in Griechenland: Albaner, Türken und eine kleine mazedonische Minderheit. Griechenland attackiert unseren Namen nicht wegen des Namens, sondern wegen unserer nationalen Identität.

Wann wird Mazedonien den Kosovo als eigenen Staat anerkennen?

Milososki: Wir sind in dieser Frage noch auf Standby. Wir möchten sowohl mit Prishtina als auch mit Belgrad normale Beziehungen aufrechterhalten. Beide sind wichtige Handelspartner. Es ist für Serbien nicht so einfach, Österreich oder Großbritannien zu schaden. Im Falle Mazedoniens aber wäre das einfacher, und das könnte zu einer Versuchung für radikale Kräfte in Serbien werden.

Zudem wurde unser Parlament wegen der Neuwahlen im Juni aufgelöst. Und während das Parlament aufgelöst ist, darf die Regierung laut unserer Verfassung keine neuen diplomatischen Beziehungen eingehen.

Die Albaner in Mazedonien fordern aber eine rasche Anerkennung des Kosovo. Fürchten Sie hier nicht politischen Druck?

Milososki: Natürlich ist jede der albanischen Parteien daran interessiert, dass diese Entscheidung schneller getroffen wird. Aber wir haben mit unserem albanischen Koalitionspartner und auch mit der albanischen Oppositionspartei gesprochen und die Lage erklärt.

Mazedoniens Sozialdemokraten waren gegen Neuwahlen. Sie argumentieren, dadurch werde Zeit bei der EU-Annäherung verloren.

Milososki: Mit neuem Parlament und stabilerer Koalition wird es leichter, die EU-Vorgaben umzusetzen. Die Tage bis zur Wahl sind keine Zeitverschwendung, sondern eine Investition in Effizienz.

ZUR PERSON

Antonio Milososki ist seit September 2006 der Außenminister Mazedoniens. Der 32-Jährige gehört der konservativ- nationalen Partei VMRO-DPMNE an. [AP]

Von 2000 bis 2001 war Milososki Sprecher einer von VMRO geführten Regierung. Danach studierte er in Bonn und arbeitete am Politikwissenschaft-Institut der Uni Duisburg-Essen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2008)

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