Merkel und Hollande drohen Moskau mit weiteren Sanktionen

German Chancellor Merkel and French President Hollande walk past a European Union flag at the city hall in Stralsund
German Chancellor Merkel and French President Hollande walk past a European Union flag at the city hall in Stralsund(c) Reuters (THOMAS PETER)
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Deutschland und Frankreich sind für weitere Wirtschaftssanktionen bei einem Scheitern der ukrainischen Präsidentschaftswahl am 25. Mai.

Kurz vor dem geplanten Referendum in zwei ostukrainischen Regionen über eine Abspaltung vom Rest des Landes hat die Regierung in Kiew erneut einen Dialog angeboten. Verhandlungen mit "Terroristen" schloss Übergangspräsident Alexander Turtschinow weiterhin aus. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande drohten Moskau mit neuen Wirtschaftssanktionen.

Referendum "illegal"

Merkel und Hollande verurteilten das geplante Referendum als "illegal". Sie forderten alle Seiten zu neuen Verhandlungen auf. "Wir setzen alles daran, dass die Deeskalation vorankommt", sagte Merkel. Auch die prowestliche Führung in Kiew, die EU und die USA kündigten an, die geplante Volksbefragung nicht anzuerkennen. Sie setzen vielmehr auf die Präsidentschaftswahl, um den Konflikt zu entschärfen.

Die prorussischen Kräfte in der Ostukraine sehen sich indes für das geplante Referendum über eine Unabhängigkeit von Kiew am Sonntag gerüstet. Für die umstrittenen Volksbefragung seien 1.527 Wahllokale im Oblast Donezk eingerichtet worden, so "Wahlleiter" Roman Ljagin am Samstag in Donezk laut der Agentur Itar-Tass. "Das Ergebnis des Referendum gilt unabhängig von der Wahlbeteiligung", betonte Ljagin.

Hollande: "Europäische Position"

In ihrer Abschlusserklärung drohen Deutschland und Frankreich mit einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, falls die Wahlen nicht stattfinden können. "Fänden keine international anerkannten Präsidentschaftswahlen statt, würde dies das Land unausweichlich weiter destabilisieren", heißt es darin. Deutschland und Frankreich stimmten überein, dass in diesem Fall die Konsequenzen zu ziehen seien, die der Europäische Rat am 6. März 2014 vorgesehen habe.

Der EU-Gipfel hatte damals erste Sanktionen gegen Russland beschlossen und gedroht, schärfere Strafmaßnahmen wie Einreiseverbote, Kontensperrungen und im Extremfall auch wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen, falls sich Russland Verhandlungen zur Lösung des Krise verweigere.

"Es gibt eine europäische Position", sagte Hollande auch zu Kritik aus Polen, gerade Deutschland handle nicht entschieden genug in der Krise. Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski hatte in einem "Bild"-Interview erklärt: "Wir wünschen uns, auch von der deutschen Politik, mehr Entschlossenheit, um den Konflikt zügig beizulegen, damit Europa und seine Nachbarn auch in Zukunft ohne Angst leben können."

Die ukrainische Regierung wurde von Deutschland und Frankreich aufgefordert, in den nächsten Tagen ihre Pläne für die Fortsetzung der Verfassungsreform bekannt zu geben. Dazu gehörten ein Zeitrahmen für Sofortmaßnahmen sowie ein Konsultationsprozess unter Einbindung aller Beteiligten, die auf den Einsatz von Gewalt verzichten, heißt es in der Erklärung. Dabei gehe es auch um die Übertragung der Macht auf regionale Behörden und Minderheitenrechte.

Abstimmung der Separatisten

In den bevölkerungsreichen Regionen (Oblast) Donezk und Luhansk (Lugansk) wollen moskautreue Separatisten am Sonntag (11. Mai) über eine Eigenständigkeit abstimmen lassen. Ein Anschluss an Russland nach dem Vorbild der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ist demnach vorerst aber nicht geplant.

Turtschinow räumte erneut ein, dass die prorussischen Kräfte von einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt würden. Schuld sei russische Propaganda, sagte er. In einem Erlass entließ Turtschinow den Gouverneur von Luhansk, Michail Bolotskych, den er erst am 2. März eingesetzt hatte. Die Zentralregierung hat die Kontrolle über weite Teile der Region verloren.

"Wir haben den Donbass (Region Donezk, Anm.) gehört und sind bereit, uns an den Verhandlungstisch zu setzen", sagte Turtschinow laut einer Mitteilung vom Samstag. Die Führung wolle Gespräche mit politischen und gesellschaftlichen Vertretern führen, sagte der Interimspräsident in einer Fernsehsendung. Er schloss jedoch erneut Verhandlungen mit "Terroristen, deren Aufgabe die Zerstörung des Landes ist", aus.

Experten gegen Unabhängigkeit

Turtschinow warnte er vor katastrophalen Folgen für die wirtschaftlich starken Gebiete Donezk und Luhansk im Falle einer Unabhängigkeit. Eine Abspaltung käme für die russisch geprägten Gebiete einem "Schritt in den Abgrund" gleich, sagte er. "Diejenigen, die eine Unabhängigkeit befürworten, verstehen nicht, dass dies die komplette Zerstörung der Wirtschaft, der sozialen Programme, ja selbst des Lebens eines Großteils der Bevölkerung in diesen Regionen bedeuten würde."

Experten raten von der Unabhängigkeit der Regionen ab: "Der Osten hat eine wichtige Bedeutung für die Ukraine, dort schlägt das industrielle Herz des Landes", sagt der Volkswirt Andreas Schwabe von der österreichischen Raiffeisen Bank International. Rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes werden in Donezk erwirtschaftet und weitere fünf Prozent in Luhansk an der russischen Grenze. Die Abspaltung der Regionen sei nicht im Interesse Kiews und könne auch weder im Interesse der Regionen selbst, noch Russlands sein.

Hacker in Belgien

Nach tödlichen Gefechten in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol blieb es dort vorerst ruhig. Die Polizei betonte, sie setze nach den "tragischen Ereignissen" vom Vortag mit mindestens sieben Toten ihren Dienst wie geplant fort. In der Großstadt Donezk ließen prorussische Kräfte neun Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), darunter einen Schweizer, wieder frei. Zuvor hatten örtliche Medien berichtet, dass sechs ukrainische und ein französischer Mitarbeiter festgenommen worden seien. Die Neun würden nun ihre Arbeit wie geplant aufnehmen, sagte IKRK-Sprecher David Pierre Marquet der Nachrichtenagentur dpa.

Das belgische Außenministerium wurde nach eigenen Angaben Opfer eines Hackerangriffs. Mit einem Computervirus hätten die Täter versucht, "Informationen und Dokumente zur Ukraine-Krise" zu kopieren, teilte Außenminister Didier Reynders mit. Die Cyberattacke sei schon vor "einigen Tagen" bemerkt worden.

(APA/dpa)

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