Krawalle: Vietnams Hass auf das Reich der Mitte

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Die antichinesischen Proteste eskalieren. Es gibt mindestens einen Toten. Peking sieht die USA als Anstifter. Dabei sind Chinesen in Südostasien allgemein verhasst.

Peking/Hanoi. Zertrümmerte Unterkünfte, umgekippte Lieferfahrzeuge, rauchende Fabrikhallen – es sind Bilder der Zerstörung, die das chinesische Staatsfernsehen am Donnerstag aus Vietnam zeigt. Wegen des Konflikts mit Peking um Gebiete im Südchinesischen Meer hat Vietnams Führung am Wochenende in Hanoi die größten antichinesischen Proteste seit Jahrzehnten zugelassen. Mittlerweile kommt es bereits zu Ausschreitungen. Seit Mitte der Woche eskaliert die Lage. Nachdem bereits am Dienstag in einer Industriezone im Süden des Landes zehntausende vietnamesische Arbeiter mehrere hundert Fabriken angegriffen und mindestens 15 Betriebe in Brand gesteckt haben, gibt es nun den ersten Toten.

Chinese in Stahlwerk getötet

Quoc Khanh, Vize-Vorsitzende des Volkskomitees der Provinz Ha Thin, bestätigte, dass bei schweren Krawallen am Mittwoch in einem taiwanesischen Stahlwerk ein chinesischer Arbeiter getötet wurde, 149 Menschen seien verletzt worden. Berichte von 19 weiteren Toten wies Khanh zurück. Das taiwanesische Unternehmen beschäftigt sowohl vietnamesische als auch chinesische Mitarbeiter.

China hatte in der Vorwoche im Südchinesischen Meer unweit der vietnamesischen Küste eine Ölplattform verankert. Als vietnamesische Schiffe das verhindern wollten, stießen sie mit chinesischen Fregatten zusammen. Seitdem verschärft sich der seit Jahrzehnten dauernde Konflikt um die umstrittenen Gebiete. Was den Streit derzeit zusätzlich anheizt: Die vietnamesische Führung lässt ihn von ihren Bürgern auf den Straßen austragen. Dabei sind öffentliche Proteste normalerweise verboten.

Chinesische Augenzeugen berichten im Internet von einem „wütenden Mob“. Die vietnamesischen Arbeiter hätten antichinesische Parolen gegrölt und jeden gejagt, der chinesisch aussieht. Pekings Staats-TV zitierte einen Unternehmer aus China: „Sie sind in unsere Büros eingebrochen, haben zerstört, geplündert und anschließend unsere Unterkünfte niedergebrannt.“ Zehn chinesische Arbeiter würde er vermissen. Dabei handelt es sich bei den meisten am Dienstag und Mittwoch angezündeten Fabrikhallen nicht um chinesische Betriebe, sondern um taiwanesische und südkoreanische. Gejagt wurden auch Vietnamesen, die die Randalierer für Chinesen hielten.

Die Krawalle zeigten Wirkung: Nachdem bereits am Mittwoch hunderte Chinesen nach Kambodscha geflüchtet waren, ließ Peking am Donnerstag weitere Landsleute mit Sondermaschinen ausfliegen. Auch Taiwan, Singapur und Hongkong schickten zusätzliche Flugzeuge. In Vietnam gibt es neben den chinesischen Arbeitern auch eine Million Menschen mit chinesischen Wurzeln. Sie fühlen sich nun ebenfalls bedroht.

Chinas Führung verurteilte die blutigen Proteste. Es gebe Hinweise, dass die vietnamesische Führung die Ausschreitungen absichtlich zugelassen und die Polizei nicht für den notwendigen Schutz gesorgt habe. Chinas Verteidigungsminister, Chang Wanquan, lehnte zugleich jegliche Verhandlungen mit Hanoi ab. „Bei unserem Territorium und unserer Souveränität werden wir niemals Kompromisse eingehen.“

„USA inspirierten Proteste“

Die regierungsnahe chinesische Zeitung „Global Times“ gab in einem Leitartikel den USA eine Mitschuld. Die Äußerungen des US-Außenministers John Kerry, Chinas Vorstoß mit der Ölplattform sei provokant und aggressiv gewesen, habe Hanoi erst zu „diesen hasserfüllten Protesten inspiriert“.

Dieser Vorwurf unterschätzt jedoch, wie schlecht viele Menschen in Chinas Nachbarländern derzeit auf Chinesen zu sprechen sind. Sie pflegen zwar intensive Wirtschaftsbeziehungen. Doch chinesische Geschäftsleute gelten als skrupellos. Zudem streitet Peking auch mit den Philippinen und Japan um Territorien. China ist Malaysia wegen des verschollenen Flugs MH370 unverhältnismäßig scharf angegangen. Und mit Taiwan und der Mongolei ist Chinas Verhältnis seit jeher schlecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2014)

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