Dem 48-jährigen Milliardär Petro Poroschenko trauen die Ukrainer am ehesten zu, das Land zusammenzuhalten.
Wenn man sich in den vergangenen Tagen bei den ukrainischen Wählern umhörte, warum sie für Petro Poroschenko stimmen wollten, war die Antwort meist eindeutig: Er sei ein erfolgreicher Unternehmer. Warum solle er dann nicht auch die Ukraine managen können?
Der Wahlsieg gelang Poroschenko schon im ersten Wahlgang. 53,7 Prozent der Wähler stimmten für ihn. Julia Timoschenko kam nur auf 13 Prozent, der exaltierte Chef der nationalistischen Radikalen Partei, Oleg Ljaschko, auf 8,5 Prozent. Der Kandidat aus dem Kreis des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch, Sergej Tigipko, erhielt 5,25 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei mehr als 60 Prozent – mit großen regionalen Unterschieden: Während auf der Krim nur 6000 Bürger an den Wahlen teilnahmen (die Registrierung und Abstimmung erforderte ein zweimaliges Ausreisen von der Halbinsel) und im umkämpften Donbass die Mehrheit der Wahllokale geschlossen blieb, war die Wahlbeteiligung vor allem im Westen und in Kiew sehr hoch.
Viele entschlossen sich in letzter Minute und trafen eine pragmatische Wahl: Poroschenko war nicht für alle Wähler der Wunschkandidat, aber derjenige, der den sicheren Sieg davontragen könnte. Poroschenko verkündete nach seinem Sieg, ein Präsident aller Ukrainer sein zu wollen.
Der Unternehmer, in der Nähe von Odessa geboren, ist ein Kandidat, auf den sich verschiedene Gruppen einigen können. Er selbst hat in der Vergangenheit sowohl mit proeuropäischen Kräften als auch mit der Partei der Regionen kooperiert. Poroschenko kündigte Neuwahlen an. Man darf gespannt sein, ob er mit einer Präsidentenpartei künftig auch im Parlament eine ihm genehme Mehrheit schaffen will, oder ob er sich auch künftig auf die Unterstützung von Vitali Klitschkos Partei Udar verlässt.
Da er selbst reich ist, nahm man ihm ab, den 5,6 Millionen Euro teuren Wahlkampf selbst finanziert zu haben. Nun hat er versprochen, sich von seinem Firmenimperium zu trennen – allerdings nicht von seinem TV-Sender, der live vom Maidan berichtet hatte. Poroschenko verzeiht man den Oligarchen-Status, da er mit seinen Süßwarenerzeugnissen wie ein ungefährlicher Oligarch wirkt – anders als jene, die mit ungenießbaren Rohstoffen wie Öl und Gas handeln, die immer auch als politisches Druckmittel eingesetzt werden können.
Reise in den Donbass geplant
Dem 48-Jährigen wird zugutegehalten, im Gebiet Winnitsa, wo sich eine seiner Fabriken befindet, die Lebensbedingungen der Menschen verbessert zu haben. Poroschenko kündigte nun Arbeitsplätze, ökonomische Entwicklung und eine Stärkung der Gemeinden an. Ukrainisch soll einzige Staatssprache bleiben, mit regionalen Zweitsprachen als Möglichkeit. Poroschenkos Wahlprogramm hat der Sehnsucht nach Stabilität vieler Ukrainer entsprochen.
Seine größte Herausforderung wird es sein, das Land wieder zu einen. Seine erste Reise als Präsident wollte Poroschenko in den Donbass absolvieren – dort, wo gestern Separatisten den Flughafen besetzten. Kenner attestieren ihm Verhandlungstalent. Das wird er bei den für die erste Junihälfte geplanten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin benötigen. Auch wenn Russland – und sogar Expräsident Viktor Janukowitsch – sich wohlwollend zu den Wahlen äußerten, die Fronten zwischen den beiden Nachbarn sind wegen offener Gasrechnungen und den territorialen Konflikten auf der Krim und in der Ostukraine verhärtet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)