Bolivien: Das Tiefland sagt leise „Adiós“

(c) AP (Roberto Candia)
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Reiche Provinz Santa Cruz stimmt über Autonomie ab. Der Staat Bolivien wackelt.

SUCRE/RIO DE JANEIRO. Selbstbestimmung oder Landesverrat? Das Referendum vom Sonntag, zu der rund 930.000 der 2,3 Millionen Bewohner der Tieflandprovinz Santa Cruz aufgerufen waren, könnte der Anfang vom Ende der Einheit Boliviens sein: Die Zentralregierung in La Paz sieht darin einen Akt der Rebellion: Präsident Evo Morales rief die Bürger auf, nicht daran teilzunehmen. Umfragen zufolge dürfte aber eine überwältigende Mehrheit der Bewohner von Santa Cruz dafür sein, dass sich die wohlhabende Region mehr und mehr verselbstständigt.

Bei der Abstimmung geht es vor allem darum, ob Santa Cruz eine eigene Finanzpolitik betreiben und Sicherheitskräfte aufstellen soll; nicht zuletzt deshalb warnte auch Boliviens Armee am Sonntag vor Abspaltungstendenzen.

Der Konflikt zwischen den Tieflandprovinzen Santa Cruz, Pando, Tarija und Beni und dem armen Hochland, wo die Mehrheit der indigenen Bevölkerung lebt, schwelt seit langem. Immer wieder fordern die wohlhabenden Tiefländer Eigenständigkeit; besonders im an Öl und Gas reichen Santa Cruz, das 30 Prozent zu Boliviens Wirtschaft beiträgt und 70 Prozent der Agrarproduktion liefert, stemmt man sich dagegen, den Löwenanteil der Steuern ins ferne La Paz abzuführen, aber nicht darüber bestimmen zu können, wie das Geld verwendet wird.

Dass Boliviens zentralistische Verfassung sanierungsbedürftig ist, wird von wenigen bezweifelt. Morales, der erste Indio-Präsident des Landes, aber hat anderes vor: Er will aus Bolivien einen sozialistischen Indio-Staat machen, in welchem die vielen indianischen Gemeinschaften, die im Grunde das Volk ausmachen, das Sagen haben, und nicht die Provinzen. In Santa Cruz bilden aber die Indigenen nur eine Minderheit.

Spanien als Vorbild

Morales schalt das Votum in Santa Cruz am Sonntag wieder als „illegal“. Das Referendum konnte er aber nicht verhindern. In Santa Cruz und dem Rest des Tieflands ist man entschlossen, mehr Autonomie nach dem Modell Spaniens durchzufechten. Wenn die große Mehrheit der Bürger dafür stimmt, hat nicht nur Morales ein Problem: Es könnte der Anfang vom Ende des ungeliebten Staates sein.

APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2008)

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