Abchasien: Die kanalisierte Revolte am Schwarzmeer-Strand

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Für den Aufstand gegen den bisherigen Präsidenten Ankwab gibt es mehrere Gründe. Manchen geht es um Machtgewinn, andere wollen weniger direkte Einflussnahme von Russland. Moskau will aber weiter mitmischen.

Suchumi/Wien. In Abchasien fand dieser Tage nicht wie üblich der Auftakt der Touristensaison statt, sondern der Auftakt zu politischen Veränderungen. Vergangenen Dienstag stürmten Demonstranten den Amtssitz des abchasischen Präsidenten, der darauf die Flucht ergriff. Am Sonntag trat der seit August 2011 amtierende Alexander Ankwab offiziell zurück und hat damit eine friedliche Machtübergabe ermöglicht.

Abchasien ist eine völkerrechtlich zu Georgien gehörende, abtrünnige Region am Schwarzen Meer mit etwa 240.000 Einwohnern. In einem Krieg Anfang der 1990er sagte es sich von Georgien los, nach dem Augustkrieg 2008 erkannte seine Schutzmacht Russland Abchasien als unabhängigen Staat an. Finanzielle Zuwendungen und Sicherheitsgarantie gegen Loyalität, so lautete die Formel der russisch-abchasischen Völkerfreundschaft.

Die Ereignisse der Vorwoche lassen nicht nur Zweifel an der Stabilität in Abchasien aufkommen, sondern auch am Verhältnis zu Russland, das vor allem von Moskau gern als brüderlich-symbiotisches dargestellt wird. Der Umbruch kommt nicht vollkommen überraschend. In der politischen Landschaft gärt es schon seit Längerem. Spätestens seit vergangenem Sommer hat die Opposition ihren Druck auf die Regierung erhöht. Damals gründeten mehrere Oppositionsparteien und Organisationen den sogenannten „Koordinationsrat“, der nach Eigendarstellung angetreten war, um Reformen anzustoßen. Der Rat forderte bisher erfolglos die Abdankung von Premier Leonid Lakerbaja sowie die Einrichtung einer Kommission, die Aufklärung über Höhe und Verbleib der russischen Hilfsgelder bringen sollte. „Statt Reformen und Wirtschaftsaufschwung haben die Behörden den Löwenanteil der russischen Hilfe in sinnlose Projekte gesteckt“, klagte die Opposition.

Auch die Ukraine-Krise und die Krim-Annexion durch Russland könnten Ängste angeheizt haben. Vertreter der abchasischen Zivilgesellschaft haben auch bisher schon mehr Souveränität gefordert; andere mögen befürchtet haben, dass Russland seine Prioritäten künftig anders setzen könnte.

Der Mann, der die Oppositionsgruppen anführt, dürfte indes vor allem Machtambitionen haben: Raul Chadschimba, ein Ex-KGB-Kader, hat schon mehrmals erfolglos nach dem Präsidentenamt gegriffen. Nun könnte seine Stunde kommen. Die 240.000 Abchasen sollen am 24. August einen neuen Präsidenten wählen.

Russland will Abchasien indes nicht aus der Hand geben, und das sorgsam abgefasste Statement vom in der Hauptstadt Suchumi weilenden Putin-Berater Wladislaw Surkow vom Sonntag deutet darauf hin, dass man die Prozesse weiter kontrollieren möchte – nun eben ohne Ankwab. In der Erklärung wird die „Klugheit und Verantwortung“ der Verhandlungsteilnehmer gelobt, und Ankwabs Rücktritt als „großherzige Entscheidung“ gepriesen.

Moskau reagiert pragmatisch

Anders als in der Ukraine stemmt sich Moskau also nicht gegen den Aufstand, sondern versucht ihn zu kanalisieren. Während Ankwab von einem „bewaffneten Umsturzversuch“ sprach (eine ähnliche Diktion verwendet Russland in der Ukraine), hat sich Moskau in Abchasien auf Pragmatismus verlegt.

Es werde weiterhin „keine Hindernisse für die gemeinsame Arbeit“ geben, man gedenke, die „Zusammenarbeit mit dem brüderlichen Abchasien“ weiterzuführen. Dennoch: Der kleine abchasische Umsturz wirft Fragen für Moskaus Herrschaftsmodell auf. Vasallen, die sich nicht wie solche verhalten, können gefährlich werden.  (som)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2014)

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