Der gestern im Amt vereidigte neue ukrainische Präsident ruft die Separatisten im Osten auf, die Waffen niederzulegen und stellt ihnen die Möglichkeit des Abzugs nach Russland in Aussicht.
„Ich will keinen Krieg“, sagte Petro Poroschenko bei seiner Inauguration im Kiewer Parlament. Deshalb beginne er seine Arbeit „mit dem Vorschlag eines Friedensplans“. Am Samstagmorgen wurde der Erstrundensieger der ukrainischen Präsidentenwahl feierlich im Amt vereidigt – mit dabei waren 50 Staatsgäste, darunter auch Bundespräsident Heinz Fischer.
Poroschenko gab Details seines mit Spannung erwarteten Friedensplanes bekannt. Er forderte die „Terroristen“ auf, die Waffen niederzulegen. Wer kein Blut an seinen Händen habe, soll nicht bestraft werden. Zudem erklärte er sich bereit, einen Fluchtkorridor für russische Söldner einzurichten, damit sie die Ostukraine verlassen können. Er versprach den Regionen mehr Autonomierechte.
Klare Worte hatte Poroschenko für die Krim übrig. Ein Kompromiss mit Moskau zum Status der Halbinsel Krim sei nicht verhandelbar. „Die Krim war und bleibt ukrainisch“, sagte der 48-jährige Unternehmer, der in der Ukraine mit seiner Schokoladenmarke „Roshen“ bekannt ist. Das habe er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Vortag in Frankreich, wo sich die beiden am Freitag am Rande der D-Day-Feierlichkeiten erstmals seit Poroschenkos Wahl kurz getroffen hatten, „klar“ zu verstehen gegeben. Russland hat sich die Krim im März nach einem umstrittenen Referendum einverleibt.
Visafreiheit ab 2015. Der neue ukrainische Präsident will klar die Westorientierung seines Landes verfolgen. Er wolle nun „so schnell wie möglich“ den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Das sei der „erste Schritt zum EU-Beitritt“, so Poroschenko. „Die Rückkehr der Ukraine zu ihrem natürlichen, europäischen Zustand war der Traum vieler Generationen“, sagte der Präsident unter dem Applaus der Staatsgäste. Er will etwa schon Anfang 2015 die Einführung der Visafreiheit mit der EU erreichen.
Mit dem Streit um das EU-Annäherungsabkommen hatte die ukrainische Krise überhaupt erst begonnen: Als sich Staatschef Viktor Janukowitsch Ende vergangenen Jahres auf russischen Druck weigerte, es zu unterzeichnen und sich stattdessen Moskau zuwandte, gab es wochenlange proeuropäische Proteste, die schließlich in Janukowitschs Absetzung mündeten. Nach den Umbrüchen in der Hauptstadt begannen verschiedene lokale Kräfte im Osten ihre Anhänger zu mobilisieren. Mittlerweile ist aus den Demonstrationen und Gebäude-Besetzungen ein bewaffneter Konflikt erwachsen, in dem Separatisten gegen die Armee kämpfen.
Er werde für die „Einheit der Ukraine“ einstehen, sagte Poroschenko, dann wandte er sich auf Russisch an seine Landsleute im Osten: „Wir werden euch unter keinen Umständen vergessen.“ (ag./red.)
Amtseid
Seit Samstag ist Petro Poroschenko der fünfte Präsident seit der Unabhängigkeit des Landes 1991.
„Ich verpflichte mich, mit allen Mitteln die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu verteidigen“, schwor er in seinem Amtseid. Poroschenko hatte die Präsidentenwahl am 25. Mai mit einer Mehrheit von fast 55 Prozent gewonnen. Sein Vorgänger Viktor Janukowitsch war nach blutigen Unruhen im Februar vom Parlament in Kiew abgesetzt worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)