Putins Freunde in Österreich

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Den Bezug von Kreml-Chef Putin zu Österreich auf sein gutes Verhältnis zu einigen Bürgern zu reduzieren, griffe zu kurz. Und dennoch: Vier Personen haben den direkten Kanal zu ihm. Einfach so.

Für jemanden, der in seiner KGB-Sozialisation Argwohn als Grundhaltung gelernt hat, hat Vertrauen zu Auserwählten umso höhere Bedeutung. Nicht zufällig ist es in Russland nur eine Handvoll Leute, die „dostup k telu“, also „Zugang zum Körper“ des Obersten haben, wie es heißt. Die meisten kommen selbst vom KGB. Aber auch im Ausland hat Putin sich mit einigen so weit angefreundet, dass sie über einen direkten Kanal zu ihm verfügen. Auch in Österreich, das er am 24. Juni besucht.

Michael Seper


Putins Geschichte mit Österreich indes beginnt im niederösterreichischen Göstling. Gut, eigentlich in St. Petersburg. Dort nämlich war der heute 79-jährige Michael Seper zu Beginn der 1990er-Jahre für eine österreichische Firma unterwegs. Putin indes sollte Außenbeziehungen für das Bürgermeisteramt pflegen. Eines Tages wird Seper mit ihm bekannt und lädt ihn nach Göstling ein. Putin kommt tatsächlich mit Familie – als No-Name wohlgemerkt, während die Oligarchen, die er später demontieren sollte, in Kitzbühel urlauben. Bis heute fährt Seper ein- bis zweimal im Jahr nach Moskau, um sich auf eine Flasche Wein mit Putin zusammenzusetzen. Seper war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Das Verhältnis zu Putin sei rein privat, so ein Freund von Seper zur „Presse“.

Karl Schranz


2001 fährt Skifan Putin nicht nach Göstling, sondern stattet der Ski-WM in St. Anton einen Kurzbesuch ab. Die Aufregung um seine Person war enorm. Funktionäre, Gäste und Politiker drängten sich in den VIP-Zelten um ihn. Es gab die üblichen Fototermine, Schnaps und Handschläge, am Ende aber sprach am Arlberg nur noch einer mit Putin: Karl Schranz.

Schranz, dreimaliger Weltmeister, zweimaliger Gesamtweltcupsieger und durch den Ausschluss von Olympia 1972 in Sapporo „Volksheld“, beteuert stets, mit Putin über alles reden zu können. Politik, Sport, Selbstbewusstsein, sogar über Turnen, der Arlberger Hotelier lacht. Sie treffen einander vielleicht viermal im Jahr, gehen Ski fahren oder plaudern ganz einfach nach einer Einladung im Kreml. Manchmal komme er dort durch die Hintertür hinein, manchmal offiziell durch den Haupteingang. Putin wartet immer auf ihn.

Es wird salopp erzählt, aber jedes Wort stimmt. Dass sie einander sehr gut kennen und auch leiden können, zeigte sich bei Putins Besuch im Österreich-Haus bei den Winterspielen in Sotschi im Februar: Putin kletterte aus seinem Auto, lief dem acht Autos umfassenden Konvoi und seinen Leibwächtern davon – und Schranz in die Arme. Sie umarmten einander, sie lachten, wie es echte Freunde tun.

Der Österreicher hatte als „Botschafter“ und Berater für die Spiele gedient, er machte Werbung für Sotschi, knüpfte Kontakte für Putin und verteidigte ihn, wo er nur konnte. Dass es Kritik aus Österreich hagelte, verstand Schranz nicht. Viele Firmen, sagt er, hätten mit Sotschi sehr viel verdient – und zwar nur dank Putin.

Ob Demokrat, Diktator, Präsident oder doch nur Freund, Schranz ist es im Fall von Wladimir Putin gleich. Er sagt: „Er ist Präsident des größten Landes der Welt. Und Russland ist ein Land mit vielen Möglichkeiten.“ Diese Freundschaft lässt sich für Schranz auch nicht mit Geld aufwiegen – oder gar messen. Für seine Sotschi-Hilfe nahm er bis auf Spesen kein Geld. „Nein, das geht nicht. Mir ist seine Freundschaft mehr wert als Geld.“

Siegfried Wolf


Geld hin, Geld her. Der Grad von Freundschaft ist ohnehin schwer zu quantifizieren. Aber was mag es wohl heißen, wenn Siegfried Wolf im Gespräch mit der „Presse“ betont, sein Verhältnis zu Putin möchte er nicht in die Kategorie der Schranz-Freundschaft eingeordnet wissen? Weil es einfach emotionell anders ist? Oder weil es sachlicher ist und er als Wirtschaftsvertreter in Russland weilt, wie Wolf hinzufügt? Ende 2010 quittierte der gebürtige Steirer seinen Managementdienst beim Autozulieferer Magna und wechselte an die Spitze der Mobilitäts- und Bausparte im Konzern Basel des russischen Multimilliardärs Oleg Deripaska. Letzterer war damals hoch verschuldet tief gefallen und musste vom russischen Staat gestützt werden. Dass der Kreml in dieser Phase das Ruder teilweise in die Hände eines ausländischen Managers legen ließ, sagt viel über Vertrauen aus. Auch über Freundschaft? Wolf bleibt zurückhaltend, obwohl er sich bei der Verteidigung von Putins Politik sonst kaum zügelt: „Seine Freunde sucht sich Putin sicher sehr genau aus“, so Wolf. Wie ist nun der Umgang zwischen den beiden? „Sehr respektvoll.“

In der Tat ist es nur wenigen Leuten aus dem Westen vorbehalten, in die Aufsichtsräte russischer Unternehmen einzuziehen. So hat Russlands größte und staatliche Bank Sberbank den 56-jährigen Wolf auserkoren, dem Aufsichtsrat der Europa-Sparte Sberbank Europe vorzusitzen.

Wolf hat sich sehr früh um Russland verdient gemacht. So hat er 2009 federführend darüber verhandelt, dass der klamme Opel-Konzern aus den Händen von General Motors an Frank Stronach geht und die Russen mit einem Drittelanteil beteiligt sind. Der Deal platzte. Aber Wolf hat inzwischen die Montage mancher westlicher Automodelle nach Russland gebracht und Putin dabei geholfen, in der Lokalisierung der Autoproduktion noch mehr Erfolge zu verbuchen.

Die beiden kennen einander über eineinhalb Jahrzehnte aus der Zeit, als Wolf für Magna an den Delegationen des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft nach Russland teilnahm. „Selten, aber eben zu bestimmten Anlässen“ würden sie einander heute treffen, so Wolf. Was er an Putin schätzt? „Dass er sich mit Sachen gründlich auseinandersetzt. Und dass er hält, was er zusagt.“

Margot Klestil-Löffler


Margot Klestil-Löffler hält seit Jahren das, was er ihr zugesagt hat, an der Leine. Putins Geschenk hat sie einmal sogar zu Fall gebracht: Im Winter 2005 ist sie mit den vom Präsidenten übergebenen Labrador-Hunden auf spiegelglattem Eis ausgerutscht. Die jungen Tiere waren äußerst aufgeweckt. Die Diplomatin musste danach wochenlang mit Krücken gehen.

Die Hunde haben schon bei der Geschenksübergabe viel Aufsehen erregt. Sie waren als „Zeichen einer lebendigen Freundschaft“ dem Ehepaar während eines Privatbesuchs auf Putins Datscha in Nowo Ogarjowo bei Moskau überlassen worden: zwei Weibchen, Olja und Orchi – eines schwarz, eines weiß. Was mit einem Geschenk begann, sollte sich zu einer dauerhaften Freundschaft entwickeln. Klestil-Löffler kann sich ohne Dolmetscher mit dem Kreml-Chef verständigen. Noch immer bittet Putin die österreichische Botschafterin in Moskau, die im Sommer wieder ins Außenamt nach Wien zurückkehren wird, von Zeit zu Zeit zu sich. Und Putins nunmehrige Exfrau Ljudmila besucht sie nun extra.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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