Gas-Streit: Oettinger gibt Russland Schuld an Scheitern

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Die Ukraine war zu einer moderaten Anhebung der Preise und zu einer schrittweisen Tilgung ihrer Schulden bei Gazprom bereit. Die russischen Verhandler beharrten aber auf höheren Sofortzahlungen und deutlich angehobenen Lieferpreisen.

Wien. Um 1 Uhr 30 in der Nacht auf Montag gingen die Verhandlungsführer in Kiew ohne Ergebnis auseinander. Die Gespräche zwischen der russischen und ukrainischen Führung zur Beilegung des Streits um Gaslieferungen sind gescheitert. Die letzte Frist des russischen Gasriesen ist damit abgelaufen. Seit Montagfrüh liefert Gazprom an die Ukraine nur noch gegen Vorkasse und zu Preisen, die weit über den bisherigen liegen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der versucht hatte, noch in der letzten Nacht einen Kompromiss zu vermitteln, machte nach seiner Rückkehr aus Kiew Russland für das Scheitern verantwortlich. Während die Ukraine letztlich zu einem höheren Gaspreis bereit gewesen wäre und zu einer schrittweisen Tilgung ihrer Schulden bei Gazprom, habe die russische Seite keine Bereitschaft mehr zu einem Kompromiss gezeigt. Oettinger wies bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien aber auch darauf hin, dass die jüngsten Entwicklungen in der Ostukraine und gewaltsame Übergriffe von ukrainischen Demonstranten auf Eigentum der russischen Botschaft in Kiew zu einem „deutlich schwierigeren Umfeld“ beigetragen hätten. Obwohl die Verhandlungen auf höchster Ebene liefen – die Ukraine wurde zeitweise durch Premierminister Arsenij Jazenjuk vertreten, die russische Seite durch Gazprom-Chef Alexei Miller –, kam es zu keiner Annäherung mehr.

Seit 2.Mai wurde verhandelt. Im Grunde ging es um zwei wesentliche Fragen: Wie die Ukraine ihre nicht bezahlten Gasrechnungen aus der Vergangenheit begleicht und welcher Preis für bisherige und künftige Gaslieferungen gelten soll. Die beiden Punkte waren verknüpft, weil die Ukraine auch ihre verweigerten Zahlungen mit der Preispolitik von Gazprom in Zusammenhang brachte.

EU-Kommissar Oettinger, der eine neue Gaskrise in Europa verhindern wollte, schlug einen Kompromiss vor. Die Ukraine sollte eine sofortigen Zahlung von einer Milliarde Dollar (783 Mio. Euro) leisten und einem Tilgungsplan zustimmen, der vorsieht, die restlichen ausstehenden Rechnungen bis Jahresende zu begleichen. Gazprom bestand aber auf einer Sofortzahlung von 1,95 Milliarden Dollar (1,44 Mrd. Euro) und auf höheren Gaspreisen bei den noch nicht beglichenen Rechnungen.

Nach seiner Weigerung, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, hatte der ehemalige ukrainische Präsident, Viktor Janukowitsch, mit Moskau einen Vorzugspreis von 268 Dollar (198 Euro) pro tausend Kubikmeter Gas vereinbart. Nach seinem Sturz verlangte Gazprom aber stattdessen 485 Dollar (358 Euro). Es wurde nicht nur der Sonderrabatt gestrichen, sondern auch ein Rabatt auf Zölle. Die Ukraine blieb in Folge Zahlungen für November und Dezember 2013 in der Höhe von 1,45 Milliarden Dollar (1,07 Mrd. Euro) schuldig. Von Jänner bis März, kurz nach der Absetzung von Janukowitsch, wurden die Rechnungen bezahlt, danach aber wieder ausgesetzt. Für den Zahlungsausfall war neben dem Preiskalkül auch die angespannte Finanzsituation der neuen Regierung verantwortlich.

Dritte Gaskrise

Während die russische Regierung in den von der EU vermittelten und moderierten Verhandlungen Bereitschaft zeigte, den Zollrabatt weiterhin gelten zu lassen, blieb Gazprom hart und forderte eine deutliche Anhebung des Gaspreises. Zuletzt schien aber bereits ein Kompromiss bei 385 Dollar (284 Euro) pro tausend Kubikmeter in greifbarer Nähe. „Das hätte unter Schwierigkeiten auch die Ukraine akzeptiert“, so Oettinger. Russland weigerte sich aber insbesondere, einer unterschiedlichen Preisgestaltung zwischen Sommer und Winter zuzustimmen, wie sie vom EU-Kommissar vorgeschlagen wurde.

Nach 2006 und 2009 folgt damit die dritte Gaskrise. Schon in der Vergangenheit hatte Moskau die Gaslieferungen als politisches Druckmittel genutzt. Nun sollen sie den Druck auf die ukrainische Regierung erhöhen. „Der Gassektor sollte aber nicht als Instrument der Politik eingesetzt werden“, appellierte Oettinger an die russische Seite. Er wies darauf hin, dass es auch im Interesse von Gazprom liegen müsse, die Energiepartnerschaft mit dem Westen fortzusetzen. „Jetzt sollte einmal ausgeschlafen werden und in den nächsten Tagen die Gespräche wieder aufgenommen werden“, zeigt sich der deutsche EU-Kommissar jovial. Er selbst werde erneut versuchen, auf beide Seiten einzuwirken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2014)

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