Die Wiederkehr des Irak-Kriegs

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Präsident Obama erwägt limitierten Militärschlag gegen die Islamisten. Außenminister Kerry soll in Bagdad auf Premier Maliki einwirken. Washington drängt auf Einheitsregierung im Irak.

Wien/Washington. Der Präsident hatte die vier Führer des Kongresses im Oval Office des Weißen Hauses um sich geschart. Vor den Kameras sollte der ungezwungene Small Talk im Zentrum der Macht Einigkeit demonstrieren. Dass Barack Obama die Chefs der Republikaner-Fraktion, John Boehner und Mitch McConell, sowie Harry Reid und Nancy Pelosi, ihre demokratischen Widerparts, zu sich bat, hat absoluten Seltenheitswert.

Nur in der Kontroverse um die Gesundheitsreform und beim Budgetstreit, der Debatte um die Anhebung des Schuldenlimits, hatte Obama die Parlamentsspitzen öffentlich zu Konsultationen vorgeladen. Doch beim Vormarsch der Islamisten auf Bagdad, nur zweieinhalb Jahre nach dem Abzug der US-Truppen, handelt es sich um einen Fall von nationaler Tragweite.

Unter Handlungsdruck

Der Präsident wähnte den ungeliebten Feldzug, gegen den er einst im Senat opponiert hatte, hinter sich. Aber ganz unvermittelt meldet sich der Krieg zwischen Euphrat und Tigris mit aller Macht wieder zurück. Amerikas Waffenkraft ist gefragt, womöglich sogar eine Kooperation mit dem Iran, um das Schlimmste zu vereiteln – einen Zerfall des Irak mit all seinen religiösen und politischen Implikationen. Die Rasanz des Aufstands hat die Regierung in Washington überrumpelt. Jetzt steht sie unter Handlungsdruck sowie unter dem Beschuss der Hardliner im eigenen Land, die sich mit ihrer Kritik am zaudernden Oberbefehlshaber bestätigt sehen.

Als Sofortmaßnahme hat Obama den Flugzeugträger USS George H. W. Bush in den Persischen Golf in Marsch gesetzt, und zum Schutz der US-Botschaft in Bagdad – als bestgesicherte der Welt ohnedies eine Festung – ordnete er eine Verstärkung um 275 Mann an. Zudem entsendet die ehemalige Besatzungsmacht bis zu 300 Militärberater, die der bedrängten irakischen Streitmacht beistehen soll, die Offensive zurückzuschlagen. Obendrein erhöhte Obama die Präsenz der US-Geheimdienste im Irak.

Doch wie sollte er der Bedrohung durch die Isil-Milizen, im Verbund mit sunnitischen Stämmen und Ex-Offizieren des Saddam-Regimes, Paroli bieten? Soll er den Befehl geben für begrenzte Luftschläge, wie seine markige Ankündigung von „gezielten, präzisen“ Angriffen insinuiert? Soll er die Regierung des umstrittenen, aber gerade erst wiedergewählten Premiers Nouri al-Maliki überhaupt fallen lassen, wie manche Berater meinen?

All diese Fragen sind derzeit in der Schwebe. Nur eines war von vornherein klar: Eine Stationierung von US-Bodentruppen würde nicht infrage kommen. „Amerikanische Truppen werden nicht zum Kampf in den Irak zurückkehren“, machte Obama gleich eingangs in seinem Statement deutlich. Von einem übereilten Militärschlag riet Generalstabschef Martin Dempsey wegen der Mobilität der Islamisten in ihren Geländewagen vorerst ab. Sie würden nur punktuell ein Ziel bieten, heißt es im Pentagon. Und zu einer überhasteten politischen Entscheidung neigt der frühere Verfassungsrechtler Obama, der die Optionen lieber akademisch im kleinen Kreis abwägt, sowieso nicht. Er sprach stattdessen von den tiefen Wunden des US-Kriegs im Irak und dem Risiko eines Bürgerkriegs.

Rückkehr der Kalten Krieger

Außenminister John Kerry, so das vorläufige Fazit, soll sich in Bagdad ein Bild von der Lage machen und auf Maliki einwirken. Washington favorisiert eine Regierung der nationalen Einheit in Bagdad, unter Einschluss der Sunniten und Kurden, die Maliki beharrlich zurückgewiesen hat. „Am Ende müssen die Iraker das lösen“, lautete Obamas Botschaft. Die Gefahr durch die Islamisten schätzt die US-Regierung höher ein als jene durch die al-Qaida.

Derweil erheben sich die Kalten Krieger der Regierung George W. Bushs – mit Ausnahme ihres Chefs – von ihrem Altenteil. In den Medien haben die neokonservativen Architekten des Irak-Kriegs wie Paul Wolfowitz oder Richard Perle wieder Hochkonjunktur. Wie gewohnt ging dabei Ex-Vizepräsident Dick Cheney am schärfsten mit Obama ins Gericht. „Selten lag ein US-Präsident auf Kosten so vieler so falsch über so viele Dinge“, schrieb er gemeinsam mit seiner Tochter Liz in einem Gastkommentar im „Wall Street Journal.“

Kerry entlockte die Breitseite indes nur eine lakonische Replik: „Das sagt ausgerechnet der Mann, der uns in den Irak geführt hat?“ Und Harry Reid notierte via Twitter in seiner trockenen Art: „Das Einzige, was ich von den Architekten des Kriegs hören will, ist eine Entschuldigung.“ Washington trägt erneut die alten Scharmützel aus.

AUF EINEN BLICK

Irak-Krieg. Mehr als elf Jahre nach Beginn des Irak-Kriegs und zweieinhalb Jahre nach Abzug der US-Truppen ist die US-Regierung erneut mit einem Einsatz an Euphrat und Tigris konfrontiert. Die USA erwägen einen begrenzten Luftschlag gegen den Vormarsch der islamistischen Milizen. Präsident Obama setzte Flugzeugträger USS George H. W. Bush, 300 Militärberater sowie CIA-Agenten in Marsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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