Poker in Bagdad um Regierungsbildung

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Premier Maliki lehnt eine Einheitsregierung ab, zu der ihn der Westen drängt. Er lässt sich dabei auch offensichtlich nicht vom Vormarsch der Jihaddisten beirren. Sunniten und Kurden verfolgen ohnehin eigene Ziele.

Wien/Bagdad. Ein kurdischer Präsident, ein schiitischer Premier und ein sunnitischer Parlamentspräsident bzw. ein Vizepräsident: So lautete die klassische Machtteilung nach der Saddam-Ära im Irak, und so malten sich westliche Diplomaten von John Kerry abwärts auch die politische Konstruktion in Bagdad aus, um auf Dauer einen Zerfall des Landes zu verhindern.

Kerry ließ bei seiner jüngsten Irak-Mission denn auch nichts unversucht, die ungleichen Partner wieder in ein Boot zu holen, aus dem sie Premier Nouri al-Maliki – der ausgefuchste Taktiker der Macht – im Lauf der Jahre gestoßen hat. In Bagdad setzte Washingtons Chefdiplomat den Schiiten Maliki unter Druck, eine Einheitsregierung unter Einschluss von Kurden und Sunniten zu formen.

Bis zum 1.Juli, so die Frist, sollte die nationale Allianz als Abwehrbündnis gegen den Vormarsch der islamistischen Milizen geschmiedet sein, die dabei sind, immer größere Teile des Zweistromlands unter ihre Kontrolle zu bringen. Eine Machtbeteiligung der seit Jahren latent unzufriedenen sunnitischen Minderheit, angesiedelt im Herzen des Irak, sollte der Offensive der Isil (Islamischer Staat in Syrien und der Levante) die logistische Unterstützung entziehen. Danach, so das Kalkül, sollte die geschwächte irakische Armee mit Hilfe von US-Luftangriffen und schiitischen Freiwilligenverbänden sowie iranischen Eliteeinheiten den Angriff der Jihaddisten zurückschlagen.

Doch Maliki machte den Masterplan rasch zunichte. In einer TV-Ansprache schmähte der umstrittene Premier eine Einheitsregierung als Putsch gegen die Verfassung und als undemokratisch. Bei den Parlamentswahlen vor zwei Monaten war Malikis Partei mit rund einem Drittel der Stimmen als stärkste Kraft hervorgegangen, schaffte es seither jedoch nicht, eine Koalition auf die Beine zu stellen. Nicht nur verweigerten sich die Sunniten, Maliki spaltete auch seine eigene Machtbasis – die Schiiten.

Unsicherheitsfaktor Iran

Längst erwägt die Obama-Regierung, Maliki zum Rücktritt zu bewegen und sondiert die Alternativen unter den Schiiten-Führern. Der Unsicherheitsfaktor ist indes der Iran. Noch genießt Maliki Rückhalt bei der Schutzmacht – je schwächer er agiert, desto stärker ist ihr Einfluss. Teheran hat bereits Generäle und Quds-Elitetruppen in den Irak geschickt und die Grenzsoldaten in Alarmbereitschaft versetzt.

Die Kurden im autonomen Nordirak kochen ohnedies ihr eigenes Süppchen. Ihr Führer Massud Barzani sieht inzwischen wohl die Zeit gekommen, einen eigenen Staat zu proklamieren, wie er in einem Interview ankündigte. Den US-Außenminister speiste er in der Kurden-Hauptstadt Erbil derweil mit diplomatischen Floskeln ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2014)

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