Affäre: Wie Berlin (auch) für Bush spionierte

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Der deutsche Bundesnachrichtendienst gab in Frankfurt abgesaugte Internetdaten weiter. Freiwillig. An die NSA.

Frankfurt/Wien. Die Kundenliste ist lang: Von A wie A1 Telekom Austria bis zu Z für die Zain Group aus Kuwait. Und die Datenmenge ist gigantisch: Mehr als 3,2 Terabit sind es zu Spitzenzeiten. Pro Sekunde! Umgerechnet ist das eine Flut von rund 420.000 (ein Megabyte großen) Bildern.

Der weltweit größte Datenknotenpunkt mit dem sperrigen Kürzel DE–CIX steht in Frankfurt – und im Zentrum des nächsten Kapitels der NSA-Affäre.

Berlin vor zehn Jahren: Das Verhältnis zu Washington ist frostig. Es ist noch nicht lange her, da hat die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder den Amerikanern die Gefolgschaft in den Irak-Krieg verweigert. Nun hat die Bush-Administration wieder einen Wunsch unter dem Deckmantel des „war on terror“. Und diesmal sollte ihn Berlin (indirekt) erfüllen, wie nun die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR gemeinsam enthüllten.

„Viel zu heikel“

Die Amerikaner forderten demnach direkten Zugriff auf den Internetknoten in Frankfurt.  Der deutsche Bundesnachrichtendienst BND lehnte zwar ab, teilte dem Bericht zufolge aber die selbst in großem Umfang abgesaugten Rohdaten, darunter Telefonate, mit den Amerikanern. Ein Kuhhandel unter der politischen Verantwortung des damaligen deutschen Kanzleramtschefs: Frank-Walter Steinmeier, heute Außenminister. 2007 wird die Kooperation vom BND schließlich abgedreht. Es sei „viel zu heikel“ gewesen, wird ein Beteiligter im Kanzleramt zitiert. Nicht minder brisant ist, dass  der BND die ausufernde Kooperation verschwiegen haben soll.  Der Nachrichtendienst informierte demnach das Parlamentarische Kontrollgremium ausschließlich über seine eigene Spionagetätigkeit. Der BND darf einen Teil der Auslandskommunikation überprüfen. Und Rohdaten deutscher Bürger wurden dem Bericht zufolge nicht erfasst.

„Österreich betroffen“

Österreichische Daten dürften dagegen sehr wohl betroffen sein, sagt Internetexperte Otmar Lendl von cert.at. zur „Presse“. Er glaubt zwar nicht, dass der gesamte Datenverkehr in Frankfurt abgesaugt wurde: „Das ist technisch schwer möglich.“ Der BND könnte sich jedoch Zugriff auf die Kabel oder die Anschlüsse von Betreibern aus einzelnen Ländern verschafft haben. Auch in diesem Szenario würde österreichischer Datenverkehr mitgefischt – eben jener Teil, der über Frankfurt in die betroffenen Länder gesteuert wurde. Die Betreiber des DE-CIX bestritten jeglichen Spionageangriff auf ihren Standort. Allerdings kann der Zugriff an vielen Punkten in Frankfurt erfolgt sein.

Seit 2007 hat sich die über Frankfurt fließende Datenmenge mehr als vertausendfacht. Der DE-CIX ist heute die wichtigste Kreuzung für den innereuropäischen Datenverkehr. „Ein Viertel unserer Internetdaten fließt über Frankfurt“, verrät einer der größten österreichischen Provider. Und der BND teilt zwar keine Daten mehr. Dem Bericht zufolge lauscht er in Frankfurt aber immer noch. (strei)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)

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