Frankreich will Kriegsschiffe nach Russland liefern

FRANCE NORMANDY 70TH ALLIED D-DAY ANNIVERSARY
FRANCE NORMANDY 70TH ALLIED D-DAY ANNIVERSARYAPA/EPA/ALAIN JOCARD / POOL
  • Drucken

Poroschenko hat die Waffenruhe in der Ostukraine verlängert. Unterdessen sorgt ein Deal zwischen Moskau und Paris für Ärger.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die Waffenruhe im Osten des Landes um drei Tage bis Montagabend verlängert. Die Entscheidung fiel nach Beratungen des Staatschefs mit Sicherheitsexperten in der Nacht zum Samstag in Kiew, wie Medien aus der Ex-Sowjetrepublik berichteten. Die Feuerpause ist wichtiger Bestandteil eines Friedensplans Poroschenkos. Die zusätzlichen 72 Stunden sollen bei dessen Umsetzung helfen. Der russische Präsident Wladimir Putin bekräftigte seine Forderung nach einer dauerhaften Waffenruhe. Ein "dauerhaftes Regime der Feuerpause" sei eine wichtige Bedingung für Verhandlungen.

Doch die Konfliktparteien rüsten sich schon für ein Ende der Feuerpause und für ein mögliches neues Blutvergießen. Nach der Verlängerung der Waffenruhe berichten beide Seiten von einer andauernden Gewalt in der Region Donezk. "In Kramatorsk gehen die Militäraktionen weiter", sagte der Separatistenführer Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax zufolge am Samstag. Er behauptete, dass die verlängerte Waffenruhe nur das Ziel habe, das Militär für einen Schlag gegen die Separatisten in Stellung zu bringen. Dagegen warfen regierungsnahe Kräfte den Separatisten vor, Soldaten auf dem Flughafen von Kramatorsk beschossen zu haben.

Weitere Zwischenfälle

Zudem meldet Russland den Einschlag ukrainischer Granaten. In einer russischen Zollstation und einer bewohnten Grenzgegend seien drei Granaten der ukrainischen Streitkräfte eingeschlagen. "Im Laufe von Zusammenstößen auf ukrainischem Territorium hat das ukrainische Militär Granaten abgefeuert, die auf russischem Territorium landeten", sagte ein Grenzschutzsprecher aus der Region Rostow.

Drei ukrainische Soldaten bei Slawjansk seien bei einem Angriff auf Stellungen der ukrainischen Armee nahe der Rebellenhochburg Slawjansk gestorben, teilte Militärsprecher Olexij Dmitraschkiwski am Samstag mit. In der Nacht hatte es nach Armeeangaben zuvor nur noch "einige Angriffe" ohne Verletzte gegeben. Verteidigungsminister Michail Kowal hatte am Samstag zunächst erklärt, es habe in der Nacht nur noch einige "Provokationen" gegeben. Ohne auf die drei getöteten Soldaten direkt einzugehen, schlug er später härtere Töne an: "Jeder weiß, dass ein schlechter Friede besser ist als ein guter Krieg", sagte er laut einer ukrainischen Nachrichtenagentur.

OSZE-Beobachter frei gelassen

In der Früh hatten die prorussischen Separatisten vier vor einem Monat verschleppte OSZE-Beobachter freigelassen. Das Team traf am späten Freitagabend in Wien ein. Ein weiteres OSZE- Beobachterteam, das ebenfalls Ende Mai in der Ostukraine festgesetzt worden war, soll nach Angaben der Aufständischen bald freikommen.

Auch eine von den prorussischen Separatisten ausgerufene Feuerpause lief am Freitag aus. Sie war allerdings seit der Verkündung am vergangenen Montag äußerst brüchig gewesen.

Die EU und auch die USA machen Druck auf Moskau: Bis Montag soll Putin zeigen, dass sie es ernst meint mit der Entspannung in der Ostukraine. Russland müsse "substanzielle Verhandlungen" über den Friedensplan Poroschenkos aufnehmen, forderten Europas Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel. Anderenfalls werde die EU neue Sanktionen gegen Moskau beschließen, heißt es in einer Erklärung.Washington stellte sich hinter das EU-Ultimatum.

Milliarden-Geschäft mit Frankreich

Inmitten dieser angespannten Lage hält Frankreich an einem Milliarden-Rüstungsgeschäft mit Russland fest. Zwei Hubschrauberträger vom Typ Mistral will die sozialistische Regierung in Paris an die Russen verkaufen. Vor allem die USA machen Druck, diesen Deal auf Eis zu legen.

Schon ab Montag werden etwa 400 russische Marine-Soldaten zur Ausbildung an den Hubschrauberträgern in Frankreich erwartet. "Im Prinzip kommen die russischen Besetzungen am Montag an und wir sind bereit, sie zu empfangen", verkündete am Freitag der Generaldirektor der Werft STX im westfranzösischen Saint-Nazaire. Dort wurden und werden die beiden Hubschrauber-Träger "Wladiwostok" und "Sewastopol" gebaut, der erste soll bereits im Oktober an Russland geliefert werden. Die Gesamtsumme des Vertrags liegt bei 1,2 Milliarden Euro. 500 Arbeitsplätze hängen daran.

Frankreich fürchtet folgen für Rüstungsindustrie

Aber für Frankreich geht es noch um mehr: Auf dem Spiel stehen der Ruf und die Verlässlichkeit der französischen Verteidigungsindustrie, die derzeit über eine Reihe lukrativer Verträge verhandelt. "Wenn Frankreich sein Wort nicht einlöst, werden sich die abwenden, die französische Rüstungsgüter kaufen wollen", sagt Yves Boyer von der Stiftung für strategische Forschung. Eine Annullierung des Geschäfts mit Russland könnte seiner Ansicht nach Folgen haben insbesondere für den geplanten Verkauf von 126 Rafale-Kampfflugzeugen durch das französische Unternehmen Dassault Aviation an Indien, das im Rüstungsbereich enge Verbindungen zu Moskau pflegt.

Frankreichs Präsident Francois Hollande machte denn auch auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise im Mai deutlich, dass der im Jahr 2011 abgeschlossene Vertrag mit den Russen "derzeit nicht in Frage gestellt" werde. Doch Washington warnt die französische Regierung unablässig vor dem Geschäft: US-Präsident Barack Obama brachte erst Anfang Juni seine "Besorgnis" über die Aufrechterhaltung solcher Rüstungsverträge zum Ausdruck. Auch NATO-Partner insbesondere in Osteuropa sind wenig erfreut über den Deal.

USA kritisieren Deal schon länger

Die USA sind nicht erst seit der Ukraine-Krise gegen das französische Rüstungsgeschäft. Schon zur Vertragsunterzeichnung im Juni 2011 hatte Washington seine Besorgnis über eine Lieferung solcher Schiffe durch ein NATO-Land zum Ausdruck gebracht. Die Mistral sind die größten französischen Kriegsschiffe nach dem Flugzeugträger Charles de Gaulle. Sie können 16 Hubschrauber, 13 Panzer, etwa hundert Fahrzeuge und 450 Soldaten zu einem Einsatzort bringen.

Dass Russland immenses Interesse an der Lieferung der französischen Kriegsschiffe hat, machte erst kürzlich Präsident Putin persönlich deutlich. Vor seinem Frankreich-Besuch Anfang Juni warnte er im Sender Europe 1: "Wenn Frankreich entscheidet, den Vertrag zu annullieren, kann es das tun. Wir werden dann Entschädigung verlangen."

(APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.