China: „Hände weg von Hongkong“

A protester carries a placard during a mass protest demanding universal suffrage in Hong Kong
A protester carries a placard during a mass protest demanding universal suffrage in Hong Kong(c) REUTERS
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Bei prodemokratischen Protesten wurden in Hongkong mehr als 500 Personen verhaftet. Es regt sich Widerstand gegen Peking.

Wien/Hongkong. Arm in Arm auf dem Boden sitzend, umringt von hunderten Polizisten harrten die letzten Demonstranten bis in die frühen Morgenstunden aus. Bis zuletzt wehrten sich die jungen Hongkonger gegen Versuche der Polizei, sie wegzuschaffen. „Wir haben das Recht zu protestieren. Wir brauchen dazu keine Polizeierlaubnis“, riefen sie in der Morgenhitze. Am Ende half alle Gegenwehr nichts: Die Polizei nahm mehr als 500 Demonstranten in der ehemaligen britischen Kronkolonie fest.

Zu dem Sit-in war es nach Massenprotesten für mehr Demokratie am Dienstag gekommen. An die tausend Studenten hatten danach den Hongkonger Finanzdistrikt Central besetzt. Laut Organisatoren versammelte sich über eine halbe Million Demonstranten zu einem kilometerlangen Protestmarsch in den Straßen Hongkongs, sie trotzten dabei Regen und Hitze. Hongkong erlebte die größten Proteste seit mehr als einem Jahrzehnt. Bei der ansonsten friedlichen Demonstration ist es diesmal auch zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.

Viele Hongkonger sind über den wachsenden Einfluss der kommunistischen Regierung in Peking auf das zivile und politische Leben in Hongkong besorgt. „Hände weg von Hongkong“, hieß es auf Plakaten der Protestteilnehmer. Und sie meinen es ernst. To Chun-ho, der im Zug der Proteste verhaftet worden war, erklärte nach seiner Freilassung: „Ziviler Ungehorsam ist keine einmalige Sache. Ich werde wiederkommen, um zu protestieren, da es die einzige Möglichkeit ist, Hongkong zu verändern.“

Jährlich finden am 1. Juli in Hongkong Protestmärsche zum Jahrestag der Übergabe der früheren britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997 statt. Dieses Jahr standen die Demonstrationen aber unter einem besonderen Stern. Erst vergangene Woche war ein zehntägiges Referendum für mehr Demokratie zu Ende gegangen. Mit rund 790.000 Hongkongern beteiligte sich etwa ein Fünftel der Wahlberechtigten der Sonderverwaltungszone an der informellen Abstimmung. Es war das erste dieser Art seit 1997.

Forderung nach Direktwahl

Selbst die Organisatoren waren über die hohe Beteiligung überrascht. „Die Hongkonger haben eindeutig ihre Enttäuschung über Peking zum Ausdruck gebracht“, meinte ein Aktivist über den unerwarteten Ausgang. Mit den Demonstrationen von Dienstag bekräftigte die Hongkonger Bevölkerung ihre jüngste Forderung nach mehr Unabhängigkeit von Festlandchina und mehr direkter Demokratie.

Die Anhänger des prodemokratischen Flügels verlangen eine Direktwahl des nächsten Chief Executive, des politischen Oberhaupts Hongkongs, im Jahr 2017. Bisher sieht die Verfassung Hongkongs die Aufstellung der Kandidaten für die Wahl zum „Regierungschef“ durch ein Wahlkomitee vor. Dadurch bleibt allerdings der Einfluss der Pekinger Zentralregierung auf die politische Führung Hongkongs bestehen.

Während Regierungschef Leung Chun-ying der Hongkonger Bevölkerung Zugeständnisse machte und versprach, sein „ Möglichstes“ im Streit um die Wahlrechtsreform zu tun, zeigt sich die chinesische Regierung weniger versöhnlich. In einem Weißbuch, das Mitte Juni veröffentlicht worden war, bekräftigte Peking seinen Führungsanspruch über Hongkong und forderte die Hongkonger zu einem stärkeren Patriotismus auf.

Seit der Rückgabe an China genießt Hongkong einen besonderen Autonomiestatus innerhalb der Volksrepublik. Das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ gewährt der Hongkonger Bevölkerung den Fortbestand einer freien Marktwirtschaft und ein unabhängiges Rechtssystem. Damit verbunden sind auch Bürgerrechte wie Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit. Zusätzlich wurde den Hongkongern mit dem Grundsatz „Hongkonger regieren Hongkonger“ eine in gewissem Maße unabhängige Verwaltung garantiert.

Diese Freiheiten gelten aber nur in einem von Peking vorgegeben Rahmen. In einem Leitartikel der „Volkszeitung“, einem Sprachrohr der Kommunistischen Partei, wird betont, dass die Verwaltung des Gebiets nur „patriotischen“ Hongkongern vorbehalten ist. Es gehöre zu den Rechten und Pflichten der Hongkonger Führung, nicht nur Hongkong, sondern auch dem chinesischen Vaterland verbunden zu sein. Eine eigenständige Verwaltung Hongkongs kann demnach nur unter der Schirmherrschaft der kommunistischen Zentralregierung funktionieren.

AUF EINEN BLICK

Anlässlich des Jahrestages der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie an China 1997 kam es in Hongkong zu Massenprotesten. Die Demonstranten forderten ein freies und direktes Wahlrecht in der autonom regierten chinesischen Sonderverwaltungsregion. Die Polizei nahm mehr als 500 Demonstranten fest: Ihnen wurde illegale Versammlung und Behinderung der Polizei vorgeworfen. Unter den Festgenommenen waren auch drei bekannte oppositionelle Hongkonger Abgeordnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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