Deutschland: Maut wird Monster der Bürokratie

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Das Konzept für die Ausländermaut steht: Sie gilt für alle Straßen, wird kompliziert gestaffelt und bringt wenig ein. Brüssel hält sie weiter für diskriminierend.

Berlin. „Die Maut kommt“, hat CSU-Chef Horst Seehofer oft genug geknurrt. Spätestens vor der Sommerpause, versprach Verkehrsminister Alexander Dobrindt, könne er ein wasserdichtes Konzept für eine Pkw-Maut für Ausländer präsentieren. Angesichts der Widerstände von allen Seiten blieb es bis zuletzt fraglich, ob er sich mit einem konkreten Plan an die Öffentlichkeit wagt. Am heutigen Montag ist es so weit. Schon am Sonntag verrieten „Spiegel“ und „Bild“ aber die Eckpunkte.

Die mehr als knifflige Problemstellung: Die Maut soll keinen Deutschen auch nur einen Cent kosten, also de facto nur ausländische Autofahrer treffen. Dennoch muss sie sich mit EU-Recht vertragen, das eine Diskriminierung von EU-Ausländern verbietet. Während Österreich und die Niederlande mit Klagen drohen, verströmt Dobrindt den Optimismus, das Wunder könne gelingen. Sein Plan erinnert freilich an Lösungsversuche für die Quadratur des Kreises: sehr kompliziert und vermutlich vergeblich.

Die Maut soll nicht nur für Autobahnen gelten, sondern für das gesamte Straßennetz. So entgeht man der Gefahr, dass Autofahrer auf Nebenstraßen ausweichen. Für zehn Tage soll die Vignette zehn Euro kosten, für zwei Monate 20 Euro. Deutsche Fahrzeughalter bekommen ihre Jahresvignette automatisch per Post zugeschickt. Fremde Straßenbenutzer zahlen dafür im Schnitt nur 60 bis 70 Euro. Der relativ niedrige Preis könnte viele animieren, sich das Fahrrecht in Deutschland gleich für 365 Tage zu erkaufen.

Was heißt Hubraum auf Rumänisch?

Offiziell gibt es gar keine Maut, sondern eine „Infrastrukturabgabe“. Das hat neben spitzfindigen juristischen Gründen einen handfesten politischen: Kanzlerin Merkel ließ sich im Wahlkampf zur Zusage hinreißen: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Um aus dieser Nummer rauszukommen, heißt die Sache nun anders. Deutsche zahlen tatsächlich nicht mehr als bisher, weil ihre Kfz-Steuer um die Höhe ihrer Abgabe gesenkt wird. Freilich ohne direkte Verrechnung, die EU-Verkehrskommissar Kallas explizit verboten hat. Mit dem 1. 1. 2016, wenn die Maut in Kraft treten soll, erfolgt zeitgleich und wie zufällig eine Reform der Kfz-Steuer.

Jetzt wird es kompliziert: Die Höhe der Steuer richtet sich heute schon nach Alter, Leistung und CO2-Ausstoß des Wagens. Um Verzerrungen zu vermeiden, staffelt sich auch die implizit angerechnete Maut nach diesen Kriterien. Und um Ausländer nicht zu diskriminieren, gilt für sie die gleiche Logik (bis zum Maximalbetrag 100 Euro). Dazu sollen künftig an grenznahen Tankstellen Terminals stehen, die nach einem komplizierten Auswahlverfahren Vignetten in vielen Farben auswerfen. Der „Spiegel“ höhnt: „Selbst wenn deutsche Tankwarte bald Ökoklasse und Hubraum in vielen Sprachen aussprechen können, ist fraglich, ob jeder litauische oder rumänische Autofahrer die entsprechenden Angaben parat hat.“ Für alle, die das System verstanden haben, liegt die Versuchung nahe, eine zu billige Vignette zu kleben. Dagegen müssen Kontrollen verstärkt und der Zoll aufgestockt werden.

Das alles macht die Ausländermaut hoch bürokratisch und teuer in der Umsetzung – bei recht geringen Einnahmen: 600 bis 800 Mio. Euro pro Jahr können das marode Straßennetz nicht sanieren. Zumal laut Ministerium ein Viertel, laut Verkehrsexperten die Hälfte des Betrages, als Systemkosten draufgehen. Auch die rechtlichen Bedenken sind keineswegs ausgeräumt. Dobrindt wollte sich in Brüssel vorigen Mittwoch grünes Licht holen. Bekommen hat er nur einen Arbeitsgruppe, die seine Pläne prüft. Denn Kallas hat ja nicht nur den „gleichen Preis“ für In- und Ausländer gefordert, sondern auch die „gleiche Bezahlmethode“. Zumindest der zweite Punkt ist definitiv nicht erfüllt.

Dennoch verlangt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer von den Koalitionspartnern CDU und SPD, dass sie die ungeliebte Maut vorbehaltlos unterstützen: „Punkt, aus, Ende.“ Das dürfte ein (un)frommer Wunsch bleiben. In der langen Politpause haben Kritiker genügend Zeit, das Konzept genüsslich zu zerpflücken. Das deutsche Sommertheater hat eben erst begonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2014)

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