Schewardnadse: Der diplomatische Transformator der Sowjetunion

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GEORGIA-SHEVARDNADZE-CANDLES(c) EPA (Anatoly Maltsev)
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Eduard Schewardnadse starb im Alter von 86 Jahren. Als sowjetischer Außenminister in der Umbruchsphase 1989/1990 und als Verfechter einer Reformpolitik sicherte sich der Georgier einen Platz in den Geschichtsbüchern.

Was Hans-Dietrich Genscher für Helmut Kohl war, das war Eduard Schewardnadse für Michail Gorbatschow: Außenminister, Wegbegleiter und zuweilen auch Korrektiv in einem Machttandem. Im Wendejahr 1989 hat sich der Georgier, der Ko-Architekt der Politik von Glasnost & Perestrojka, der am Montag im Alter von 86 Jahren starb, seinen Platz in der Geschichte gesichert, als er – neben anderen – die Steine für die Wiedervereinigung Deutschlands aus dem Weg räumte.

Geehrt und geschätzt, haben die Deutschen ihm das nie vergessen. Als die Georgier ihn 2003 im Zuge der Rosenrevolution aus dem Präsidentenamt drängten, boten sie ihm sogar Exil an. So eng war die Nähe unter den Spitzendiplomaten, dass Schewardnadse nicht nur mit Genscher, sondern auch mit den US-Kollegen Baker und Shultz befreundet war. Als Vermächtnis seines Wirkens zierte ein Ziegel der Berliner Mauer das Büro seiner Villa in den Hügeln über Tiflis.

Im Ausland war der prononcierte Reformkommunist dabei stets populärer als in Moskau. Als Reformer, als unorthodoxer Vorkämpfer gegen die grassierende Korruption und als Verfechter eines progressiven gesellschaftlich-kulturellen Klimas in der Kaukasus-Republik machte er sich während der eisernen Breschnjew-Ära einen Namen, mitunter aber auch unbeliebt.

Polit-Fuchs mit Charme

Als ihn Gorbatschow 1985 zum Nachfolger des „ewigen“ Außenministers Andrej Gromyko ernannte, war er in der Außenpolitik alles andere als bewandert – was sich rasch ändern sollte. Alle Meilensteine am Ende des Kalten Kriegs waren mit Schewardnadse verbunden: die Abrüstungspolitik, der Abzug aus Afghanistan und der friedliche Umbruch in Osteuropa.

Als die Nomenklatura in den Sowjet-Satellitenstaaten nach einer Intervention aus Moskau rief, erteilte er ihr eine Absage: „Es ist an der Zeit einzusehen, dass Bajonette, Panzer oder Blut nicht imstande sind, Sozialismus, Freundschaft, gute Nachbarschaft oder Respekt zu schaffen.“ In Moskau ging dem Politfuchs mit dem schlohweißen Haarschopf, einem Mann von Charme, Witz und südländischem Temperament der Fortschritt der Reformpolitik nicht schnell genug.

Er trat für mehr Liberalismus ein, was ihn in Gegensatz zu Gorbatschow brachte. In einer Rede vor der Duma warnte er vor seinem Rücktritt 1990 prophetisch: „Die Reformer haben sich in die Büsche geschlagen, die Diktatur dämmert heran.“ Als in Tiflis 1992 das Chaos ausbrach, feierte Schewardnadse als Integrationsfigur und Präsident in Georgien ein Comeback.

Im Konflikt um Tschetschenien, Abchasien und Südossetien schlug er einen anti-russischen Kurs ein, der Korruption und des Nepotismus – auch im eigenen Clan – wurde er nicht Herr. Unter dem Vorwurf von Wahlmanipulation wich er 2003 der jungen Garde um Saakaschwili. Als Elder Statesman, der am Ende vor einer Renaissance des Kalten Kriegs warnte, zog sich Schewardnadse aufs Altenteil zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2014)

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