Arabische Welt schweigt zu Gaza-Angriffen

Nur Jordanien und Ägypten verurteilen zurückhaltend die Luftattacke der Israelis in den Palästinensergebieten.

Kairo. Militärisch erinnert vieles an die letzte Gaza-Krise vor gut anderthalb Jahren: Provokantes Raketenfeuer aus dem von der Hamas kontrollierten Küstenstreifen in Richtung Tel Aviv, Jerusalem und Haifa. Vergeltungsangriffe der israelischen Luftwaffe, Einberufung von Reservisten und Mobilisierung von Panzereinheiten, die drohend rund um die eingezäunte Enklave auffahren.

Der achttägige Schlagabtausch damals im November 2012 allerdings fand in gänzlich anderer politischer Nachbarschaft statt als heute. In Ägypten regierte der frisch gewählte Muslimbruder Mohammed Mursi, dessen Organisation mit der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas ideologisch verbrüdert ist. Und so sandte der damalige Staatschef Mursi mitten im israelischen Geschosshagel seinen damaligen Premierminister Hisham Qandil zum spektakulären Solidaritätsbesuch nach Gaza-Stadt.

Wenige Tage später vermittelte der Muslimbruder auf dem Kairoer Präsidentensessel mit amerikanischer Hilfe einen Waffenstillstand. Die damaligen Partner in Washington lobten seine diplomatische Rolle als professionell, zuverlässig und erfrischend geradeheraus.

Chronischer Unruheherd

Mittlerweile wird das Land am Nil geführt vom ehemaligen Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, für den Hamas-Mitglieder genauso Terroristen sind wie der von ihm abgesetzte Mohammed Mursi und dessen Muslimbrüder. Entsprechend schmallippig fielen die Erklärungen aus Ägypten aus, das neben Jordanien als einzige arabische Nation einen Friedensvertrag mit Israel hat. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas musste Sisi erst anrufen, um anschließend verkünden zu dürfen, der frühere Feldmarschall am Nil fühle sich „der Sicherheit der palästinensischen Bevölkerung verpflichtet“ und werde versuchen, Druck auf Israel auszuüben, um sobald wie möglich einen Waffenstillstand zu erreichen.

Ägyptens Außenminister ließ routiniert verbreiten, Kairo verurteile die israelischen Luftangriffe, sekundiert von Jordanien, was eine große palästinensische Bevölkerung hat und darum die Militärschläge obendrein noch als „barbarische Aggression“ verdammte.

Alle anderen arabischen Staaten dagegen schwiegen sich aus.

Für den amtierenden ägyptischen Präsidenten Sisi ist der Gazastreifen in erster Linie ein chronischer Unruheherd, der auf den Nordsinai ausstrahlt. Hunderte von Raketen mit größerer Reichweite sowie Zehntausende von Granaten und Gewehren haben nach dem libyschen Bürgerkrieg ihren Schmuggelweg über Ägypten in die Enklave gefunden.

Gleichzeitig sind der in Gaza regierenden Hamas die Zügel teilweise entglitten. Bei Attentaten und vielen Raketenangriffen haben längst andere, viel radikalere Gruppen das Sagen, die sich zu al-Qaida zählen. Fast täglich sterben auf dem Sinai Polizisten und Soldaten bei Feuerüberfällen dieser Gotteskrieger, die sich bei Bedarf auch in die Hamas-Enklave zurückziehen, um den ägyptischen Kampfhubschraubern zu entgehen.

Schmuggeltunnel zerstört

Und so ließ der neue starke Mann am Nil in den vergangenen Monaten das kilometerlange Netz an Schmuggeltunneln zwischen Ägypten und dem Gazastreifen systematisch zerstören. 1300 eingestampfte Röhren meldete die Armee zum Abschluss ihrer Kampagne. Auch der Grenzübergang in Rafah zwischen Gaza und Ägypten ist seit dem Umsturz im Sommer 2013 wieder gesperrt, nachdem Mursi die Passage während seiner Präsidentschaft nahezu unbeschränkt geöffnet ließ.

Und so können die Gaza-Bewohner jetzt weder oberirdisch noch unterirdisch vor den israelischen Raketen auf ägyptisches Territorium fliehen oder Verletzte herausbringen. Auch die Krankenhäuser in Gaza-Stadt erhalten bislang weder Medikamente noch Verbandszeug aus ägyptischen Beständen. Während die Verantwortlichen in Kairo behaupten, es gebe kein Bitten um Hilfe, erklärte der palästinensische Rote Halbmond, alle Kontaktversuche blieben von ägyptischer Seite einfach ohne Antwort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2014)

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