Shafi: "Wer befiehlt, Zivilisten anzugreifen, ist ein Terrorist"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Palästinenser-Botschafter in Wien, Salah Shafi, schiebt Israel die Verantwortung für die Ermordung von Siedlern zu - und bezeichnet Premier Netanjahu als Terroristen.

Die Presse: Sie haben in einer Aussendung Israel allein für die Ermordung von drei jüdischen Siedlern im Westjordanland verantwortlich gemacht. Ist das Ihr Ernst?

Salah Abdel Shafi: Wer Siedler völkerrechtswidrig in besetzte Gebiet schickt, trägt die politische Verantwortung für eine solche Tat.

Heißt das jetzt, dass jeder Israeli Freiwild in den besetzten Gebieten ist?

Nein, Präsident Abbas hat die Ermordung klar verurteilt.

Sie erwähnen mit keinem Wort die Verantwortung der Mörder.

Die Frage ist, wer die Täter sind. Keine palästinensische Gruppe bekannte sich. Israel legte keine Beweise vor. Nicht einmal die USA kaufen Israel ab, dass die Hamas dahintersteckt.

Israel wird wohl nicht selbst hinter der Ermordung der Jugendlichen stecken.

Das haben wir nicht behauptet.

Welche Anstrengungen hat die palästinensische Autonomiebehörde unternommen, die Siedler-Mörder zu ergreifen?

Erstens wurden die drei in Gebieten entführt und ermordet, die unter totaler Sicherheitskontrolle der Israelis stehen. Zweitens haben unsere Sicherheitsdienste ihre Hilfe angeboten. Die Israelis haben abgelehnt.

Sie rechtfertigen Raketenangriffe der Hamas. Selbstverteidigung und Widerstand seien kein Monopol Israels, schreiben Sie.

Wir verurteilen Raketenangriffe auf Israel. Wir sind gegen jede militärische Gewalt. Aber Israel ist eine Besatzungsmacht. Und demzufolge hat das Volk ein Recht auf Widerstand, sogar auf militärischen, auch wenn wir das nicht gutheißen. Natürlich dürfen Zivilisten nicht attackiert werden.

Das passiert nun auch in Israels Städten. Soll Israel zusehen, wie seine Bürger wahllos mit Raketen beschossen werden?

Israel soll etwas unternehmen. Es soll diese Okkupation beenden.

Zuerst fühlt sich Israel genötigt, den Beschuss durch Raketen zu stoppen.

Israel wird nur Sicherheit erlangen, wenn Palästinenser in Freiheit und Würde in ihrem eigenen Staat leben. Dann haben Palästinenser keinen Grund, Israel anzugreifen.

Es ist Teil der Hamas-Ideologie, Israel zu vernichten.

Genau wie es Teil der Ideologie von israelischen Regierungsparteien ist, den Palästinensern das Recht auf Staatlichkeit und Würde abzusprechen.

Premier Netanjahu befürwortet offiziell die Zweistaatenlösung.

Das bezweifle ich. Das ist nur Rhetorik. Sogar US-Außenminister John Kerry hat Israel die Verantwortung für das Scheitern der letzten Verhandlungsrunde gegeben.

Wie kommt man aus der aktuellen Eskalationsspirale heraus?

Unser Ziel ist es, schnell eine Waffenruhe zu erreichen. Aber das ist nur sinnvoll, wenn unmittelbar danach eine politische Lösung zustande kommt. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, die Zweistaatenlösung liegt auf dem Tisch.

Ist es da hilfreich, Israel Staatsterror vorzuwerfen?

Es ist Staatsterror, wenn ein Staat bewusst zivile Einrichtungen ins Visier nimmt.

Netanjahu – ein Terrorist?

Wer befiehlt, Zivilisten anzugreifen, ist ein Terrorist, auch wenn er Benjamin Netanjahu heißt.

Israel nimmt keine zivilen, sondern militärische Einrichtungen wie Abschussrampen ins Visier.

Israel hat zugegeben, Wohnhäuser zu bombardieren.

Wo Hamas-Führer leben...

...und wo Familien leben.

Israel warnt mit Flugblättern und per Telefon, bevor es angreift.

Dann hat eine Familie fünf Minuten, das Haus zu räumen. Und wenn Israels Luftwaffe sieht, dass eine Familie auf dem Dach bleibt, bombardiert sie trotzdem. Bewusst. Das ist kein Kollateralschaden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.