In der Spionageaffäre folgen der Empörung nun Taten: Der Repräsentant der US-Nachrichtendienste muss das Land verlassen – auch mangels Kooperation nach dem NSA-Skandal.
Ein Woche lang schwoll die deutsche Empörung über einen Spionagefall an, der das Vertrauen zum Partner USA erschüttert. Am Mittwoch kam ein zweiter Verdachtsfall hinzu. Am Donnerstagnachmittag zog die Bundesregierung eine erste klare Konsequenz: Der Vertreter der US-Nachrichtendienste in der amerikanischen Botschaft am Brandenburger Tor muss das Land verlassen – auch deshalb, weil sich die Botschaft geweigert hat, den Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des NSA-Skandals zu unterstützen. Alle Parteien im Bundestag lobten das Vorgehen. Aus Washington, wo man sich schon seit einer Woche ganz ungerührt zeigt, kam vorerst auch dazu kein direkter Kommentar.
Vorige Woche gestand ein Sachbearbeiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, dass er den „Partnerdienst“ CIA seit zwei Jahren mit geheimen Dokumenten versorgt. Ein Maulwurf kommt selten allein: Nun soll auch ein Referent im Verteidigungsministerium für die Amerikaner gearbeitet haben. Um den Anfangsverdacht erhärten zu können, ließ der Generalbundesanwalt den Verdächtigen verhören, seine Wohnung durchsuchen und Datenträger sicherstellen. Er ist vorläufig wieder auf freiem Fuß, doch das Ministerium stuft den Fall als „sehr ernst“ ein.
Schäuble: „So was von blöd“
So reißen die Wunden weiter auf, die der NSA-Skandal in das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern geschlagen hat. Kanzlerin Merkel gibt ihrem Sprecher erstmals die Formel von „tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten“ zur Hand, die „an das Vertrauen“ gehen. Authentischer klingen andere Reaktionen: Die „konspirativen Methoden“ seien unter Partnern „völlig überflüssig“, ärgert sich Außenminister Steinmeier. Innenminister de Maizière betont, wie „lächerlich“ die gekauften Informationen seien.
Dass die Amerikaner dafür „drittklassige Leute“ anwerben, findet Finanzminister Schäuble „so was von blöd, über so viel Dummheit kann man nur weinen“. Und eine Delegation von Abgeordneten mit Norbert Röttgen an der Spitze will den Amerikaner vor Ort einbläuen, „dass durch diese Dummheiten“ ein „wirklicher Schaden angerichtet wird“.
Deutsche werben keine Doppelagenten an
Warum aber kamen die Pannen an die Öffentlichkeit? Spionieren sich Geheimdienste nicht ständig gegenseitig aus (wie die USA suggeriert)? Und vertuschen sie nicht, wenn sich jemand erwischen lässt? Bei der Festnahme des Doppelagenten freuten sich Verfassungsschutz und BND, dass sie einen gemeinsamen Ermittlungserfolg verkünden konnten. Doch schnell wurde klar, dass es bei der Causa Markus (der Nachname bleibt geheim) um einen Tabubruch geht: Deutsche Dienste werben aus Prinzip keine Informanten befreundeter Dienste an (schon um ihre begrenzten Ressourcen sinnvoll zu nutzen).
Auch die Amerikaner, berichtet die „Welt“ aus Sicherheitskreisen, meldeten ihren Kollegen früher, wenn ihnen jemand deutsche Interna verkaufen wollte. Nun scheint jede moralische Schranke gefallen. Dass sich die Spione sogar den Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre zum Ziel genommen haben, empfinden die Deutschen als Angriff auf das Herz ihrer Demokratie.
"Jetzt reicht es"
So kochte die Erregung rasch hoch, während die stets besonnene Kanzlerin im fernen Peking weilte. Präsident Gauck, der Unbequeme, haute mit einem „Jetzt reicht es“ auf den Tisch. De Maizière dachte laut über Gegenspionage nach. Und nun, als Draufgabe, der zweite Fall im Bendlerblock. Ein zeitlicher Zufall? Der militärische Abwehrdienst hatte den Verdächtigen schon länger im Visier, sein letzter US-Kontakt war im Februar. Und anders als bei „Markus“, dessen Verrat erwiesen scheint, fehlt hier der dringende Tatverdacht.
Dass Obama und seine Regierung zu den Vorwürfen schweigen, schürt die zunehmend feindselige Haltung der Deutschen. Mit der Folge, dass Merkel schärfer reagieren muss. Der erste, noch eher symbolische Schritt ist nun getan.